Von reiner Liebe erfüllt

In den Monaten vor Beginn des Navadvīpa-Dhāma-Parikramās pre­digte Śrīla Bhak­ti­pra­j­ñāna Keśava Gos­vāmī Mahārāja in Ben­galen und lud die Ein­wohner der Dörfer dazu ein. Er bezahlte sogar die Zug­fahr­karten vieler armer Leute, die es sich sonst nicht lei­sten konnte, zu kommen. Wäh­rend er unter­wegs war, über­trug er Nara­hari Prabhu, in den er volles Ver­trauen hatte, die Lei­tung der Devān­anda Gauḍīya Maṭha.

Am Erschei­nungstag Śrī Nity­ān­anda Prabhus, dem 3. Februar 1947,  kehrte Ācārya­deva mit den gesam­melten Spenden seiner Bengalen-Predigerreise in die Devān­anda Gauḍīya Maṭha zurück. Ācārya­deva gab alle Geld- und Sach­spenden zu Nara­hari Prabhu und bat ihn: „Bitte bringe dies Prab­hupāda dar. Für mich bist du nicht ver­schieden von ihm. Du bist seine Erwei­te­rung, um mich zu beschützen.

Obwohl Nara­hari Prabhu älter als Śrīla Guru­deva war und länger im Tempel wohnte, diente Nara­hari Prabhu Guru­deva mit Liebe und Zunei­gung, als dieser vom Pre­digen mit Ācārya­deva zurückkam. Nara­hari Prabhu reichte seinem Gott­bruder mahā-prasāda und Wasser und fächelte ihm Luft zu, wäh­rend er aß.

Am glück­ver­hei­ßenden Erschei­nungstag Śrī Nity­ān­anda Prabhus fastete Śrīla Guru­deva zusammen mit den anderen Tem­pel­be­woh­nern bis zum Abend, doch sie spürten keine Erschöp­fung, denn von Ācārya Kesarī über die nek­tar­glei­chen Herr­lich­keiten Śrī Nity­ān­anda Prabhus zu hören, war wie ein bele­bender Trunk, der sie alle Müdig­keit ver­gessen ließ.

Śrī Kṛṣṇa erschien als Cai­tanya Mahāprabhu mit der Gemüts­stim­mung und der Kör­per­tö­nung Śrī­matī Rād­hārāṇīs in der mate­ri­ellen Welt, um die höchste gött­liche Liebe zu ver­teilen. Jedoch können bedingte Seelen diese nicht kosten, weil sie winzig klein sind und der mate­ri­ellen Ver­un­rei­ni­gung unter­liegen. In der Śvetāś­vatara Upaniad (5.9) heißt es: „Wenn man eine Haar­spitze in hun­dert Teile teilt und einen dieser Teile wie­derum in hun­dert Teile, dann ent­spricht ein sol­ches Teil­chen der Größe der spi­ri­tu­ellen Seele“. Die winzig kleinen Seelen, die sich von Kṛṣṇa abwenden, werden von einer ent­stellten Natur bedeckt und in grobe und sub­tile Körper gesperrt. Leben für Leben, seit unvor­denk­li­chen Zeiten, kosten sie die Freuden der Sinne und ver­tiefen sich in illu­so­ri­sche Liebe zu ihren zeit­wei­ligen Freunden und Ver­wandten. Ohne die Barm­her­zig­keit Bala­deva Prabhus ver­fügen sie nicht über die Kraft, ihre wahre Iden­tität zu erwecken. Und ohne zu wissen, wer sie wirk­lich sind, können sie die Liebe, die Cai­tanya Mahāprabhu ihnen schenken will, nicht annehmen. Des­wegen erschien Kṛṣṇas Bruder Bala­deva Prabhu, der die Grund­lage aller Exi­stenz ist, als Śrī Nity­ān­anda, noch bevor Kṛṣṇa als Śrī Cai­tanya Mahāprabhu kam. Nity­ān­anda Prabhu ver­hilft den Men­schen zu ihrer spi­ri­tu­ellen Iden­tität und gibt ihnen damit ein Gefäß, mit dem sie das gött­liche Geschenk Mahāprabhus emp­fangen können. Jeder kann bei Nity­ān­anda Prabhu Zuflucht finden, indem er einen echten spi­ri­tu­ellen Mei­ster annimmt, denn Śrī Nity­ān­anda Prabhu ist der Ursprung aller spi­ri­tu­ellen Meister.

Der kīr­tana an Śrī Nity­ān­anda Prabhus Erschei­nungstag hielt bis spät in die Nacht an. Ācārya Kesarī und die Gott­ge­weihten tanzten jubelnd, wäh­rend sie über Gaura-Nitāis Namen und Ruhm sangen. Sie wurden so freu­de­trunken im sakīrtana-rasa, dass sie sich nicht bewusst waren, wie die Zeit ver­flog. Das wun­der­bare Geschehen begei­sterte Śrīla Guru­deva, so dass er sich mit großer Ehr­furcht den Staub von dem Boden, auf dem die Vaiṣṇavas unter den tosenden Rufen von „Nitāi-Gaurāṅga, Jaya Nitāi-Gaurāṅga!“ in die Luft sprangen, auf seinen Körper strich. Guru­deva betete zum Dhā­meś­vara Nity­ān­anda Prabhu, der den Hei­ligen Dhāma offen­bart, ihm einen Anblick vom spi­ri­tu­ellen Reich zu gewähren. Da erschaute Guru­deva in Ehr­furcht eine Vision des tran­szen­den­talen Nav­ad­vīpas, die sich vor seinen Augen offen­barte. Er sah die beiden groß­her­zigen Herren, Gau­rāṅga und Nity­ān­anda, die strah­lend wie tau­send gleich­zeitig auf­ge­hende Sonnen und Monde mit unzäh­ligen leuch­tenden Gefährten an den san­digen Ufern der Gaṅgā tanzten, welche golden unter dem sma­rag­denen Blät­ter­dach der Wunsch­bäume schim­merte. Die Halb­götter schauten gebannt aus ihren Juwe­len­pa­lä­sten und ver­ehrten die beiden gol­denen Herren mit Gebeten.

Die Schön­heit Nav­ad­vīpas fas­zi­nierte Guru­deva. Nach dem Kīr­tana, als Guru­deva die Füße Ācārya Kes­arīs mas­sierte, sagte er: „Heute Abend hatte ich dank deiner Gnade, die das Unmög­liche mög­lich machen kann, eine Vision des tran­szen­den­talen Navadvīpa-Dhāmas.“

Nity­ān­anda Prabhu hat Navadvīpa-Dhāma in deinem Herzen offen­bart, weil du Ver­trauen besitzt“, ant­wor­tete Ācārya­deva. „Als Exi­stenz­energie erwei­tert sich Nity­ān­anda Prabhu in die mate­ri­ellen und spi­ri­tu­ellen Bereiche. Ins­be­son­dere mani­fe­stiert er sich als Śrī Nav­ad­vīpa und Er gibt denen, die ernst­haft und mit Ver­trauen sādhana prak­ti­zieren, die spi­ri­tu­ellen Augen, dieses ewige Reich zu sehen.“

Seit er ihn das erste Mal getroffen hatte, wünschte sich Śrīla Guru­deva, von Śrīla Keśava Gos­vāmī Mahārāja ein­ge­weiht zu werden. Jetzt äußerte Guru­deva seinen Wunsch: „Mahārāja, bitte nimm mich als deinen Schüler an und weihe mich in die dīkṣā-Man­tras ein.“

Wie kann ich dich annehmen oder ablehnen?“, sagte Ācārya Kesarī, „du gehörst mir bereits. Wie kannst du mir jemals fern sein?“

Dann wirst du mich einweihen?“

Ich werde dich zum kom­menden Gaura-Pūrṇimā-Fest einweihen.“

Guru­deva fühlte sich zufrieden und gesegnet. Er fuhr fort mit seinem Dienst. Diese Nacht träumte er von Prab­hupāda Saras­vatī Ṭhā­kura und seinem geliebten Schüler Śrīla Bhak­ti­pra­j­ñāna Keśava Gos­vāmī Mahārāja. Er ver­wirk­lichte, dass beide sehr enge Gefährten Cai­tanya Mahāprabhus waren, und er legte das Gelübde ab, mit ganzem Herzen ihrer Mis­sion zu dienen.

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