Vaiṣṇavas in der Keśa­vajī Gauḍīya Maṭha

Śrīmad Bhak­ti­kuśala Nara­siṁha Mahārāja, ein Schüler Śrīla Prab­hupāda Saras­vatī Ṭhā­kuras und der Onkel Śrīmad Bhak­ti­ve­dānta Vāmana Mahārājas, wurde als der älteste Vaiṣṇava in der Keśa­vajī Gauḍīya Maṭha respek­tiert. Hari­dāsa Vra­ja­vāsī, Kuñja Bihārī Brah­macārī und Rasarāja Vra­ja­vāsī waren die ersten Gott­ge­weihten im Tempel.

Hari­dāsa Vra­ja­vāsī war in einer rei­chen Familie in Mathurā auf­ge­wachsen. Von seiner frühen Kind­heit an zeigte er reges Inter­esse an Spi­ri­tua­lität. Sein Vater Śrī Gaṇeśilālā hatte ihm den Namen Śrī Hari­candra gegeben. In seiner Jugend pflegte er mit Gleich­alt­rigen kīr­tana-Ver­an­stal­tungen zu orga­ni­sieren und an spi­ri­tu­ellen Dis­kus­sionen teil­zu­nehmen. Sein Vater hatte ihn zu Hause unter­richtet und in der Fami­li­en­firma beschäf­tigte. Er war begierig, einen echten spi­ri­tu­ellen Mei­ster zu finden und sich in hari-bhajana zu ver­tiefen. Als Jugend­li­cher ver­ließ er sein Zuhause und reiste auf der Suche nach einem spi­ri­tu­ellen Mei­ster ohne Besitz zu allen hei­ligen Orten in Indien. Doch weil er natür­liche Zunei­gung zu Vraja besaß, kehrte er schließ­lich wieder nach Mathurā-Maṇḍala zurück.

Am 13. Dezember 1954 ergab es sich, dass er in der dhar­maśālā der Keśa­vajī Gauḍīya Maṭha über­nach­tete. Ācārya Kesarī hatte das Haus erst kurz zuvor gekauft und hielt sich gerade mit Śrīla Guru­deva, Śrī Sanātana Prabhu und den Teil­neh­mern der Vraja-Maṇḍala Parik­ramā dort auf, um den Tempel fei­er­lich zu eröffnen. Als Hari­candra das kraft­volle hari-kathā Ācārya Kes­arīs hörte, fühlte er, dass seine Suche nach einem Guru ein Ende gefunden hatte. Er wandte sich an Ācārya Kesarī mit einer Bitte um Ein­wei­hung. Ācārya Kesarī, der seine die­nende Hal­tung und seinen auf­rich­tigen Wunsch nach bha­jana sah, gab ihm harināma und dīkṣā und taufte ihn auf den Namen Hari­dāsa Vra­ja­vāsī. Bevor Ācārya Kesarī nach Ben­galen abreiste, wies er Hari­dāsa Vra­ja­vāsī an, in Mathurā zu bleiben und unter der Füh­rung Śrīmad Bhak­ti­ve­dānta Nārāyaṇa Mahārāja zu dienen. Fortan blieb Hari­dāsa Vra­ja­vāsī in Mathurā und diente dort Hari, Guru und Vaiṣṇavas mit Körper, Geist und Worten. Er war ver­siert in allen Arten des Dien­stes und begriff schnell den Kern der Gauḍīya-Vaiṣṇava-Lehre. Zwi­schen Guru­deva und ihm ent­wickelte sich eine enge Freund­schaft, denn er war ernst­haft und ver­kör­perte den Grund­satz: saralatā hi vaiṣṇavatā ‒ „ein Vaiṣṇa­vismus zu sein bedeutet, ein­fa­chen Her­zens zu sein“. Er half Guru­deva bei jeder Art von Dienst, unbe­deu­tendem wie auch wichtigem.

Kuñja Bihārī Brah­macārī war ein Kom­man­deur und Aus­bilder in der Indi­schen Armee gewesen. Er stammte aus Gha­rowal in Utt­hara Kanda. Er erhielt seine mili­tä­ri­sche Aus­bil­dung in Lucknow und wurde in Mathurā sta­tio­niert. Nach seiner Arbeit kam er regel­mäßig zu Ācārya Kesarī in die Keśa­vajī Gauḍīya Maṭha. Er hatte schon in seiner Jugend großes Inter­esse an Reli­gion gezeigt und quit­tierte bald nach seinem Treffen mit Ācārya Kesarī seinen Dienst und zog in den Tempel ein. Ācārya Kesarī weihte ihn ein und änderte seinen Namen von Khem Siṁha in Kuñja Bihārī. Kuñja Bihārī war ener­gisch, mutig und ver­ant­wor­tungs­be­wusst. Śrīla Guru­deva über­trug ihm die Lei­tung der dhar­maśālā. Kuñja Bihārī konnte keine Feind­se­lig­keit gegen den Tempel, aber auch kein fal­sches Ver­halten der brah­macārīs im Tempel ertragen.

Rasarāja Vra­ja­vāsī stammte aus Puru­liya in Bihar. Nach fünfzig Jahren erfolg­rei­chem Fami­li­en­leben wurde in ihm der Wunsch über­mächtig, Bha­gavān zu ver­ehren und dem welt­li­chen Leben zu ent­sagen. Er gab seine Frau, seine Kinder und seinen Besitz auf, trat in den vānapr­astha-āśrama ein und begab sich auf die Suche nach einem spi­ri­tu­ellen Mei­ster. Er reiste für viele Jahre, unter anderem nach Vārāṇasī, Prayāga, Harid­vāra, Hṛṣīkeśa und Vṛn­dā­vana. 1955 kam er zur Keśa­vajī Gauḍīya Maṭha. Er war sofort von Ācārya Kes­arīs anzie­hendem hari-kathā gefes­selt und ergab sich seinen Lotosfüßen. Bald darauf emp­fing er harināma und dīkṣā. Mit großem Ver­trauen diente er Ācārya­deva und wid­mete sich dem hari-bhajana. Ācārya­deva wies Rasarāja Vra­ja­vāsī an, in Mathurā zu bleiben und Śrīla Guru­deva beim Publi­zieren der neu erschie­nenen Śrī Bhā­gavata Patrikā zu unter­stützen. Obwohl Rasarāja Vra­ja­vāsī nach außen hin ernst und unnahbar wirkte, war er ein sehr fröh­li­cher Mensch und machte seinem Namen Rasarāja (der König des Humors) alle Ehre. Jeder, ob brah­macārī, san­nyāsī oder gṛhastha, mochte ihn.  Er stand in dem Ruf, einen wei­nenden Mann zum Lachen und einen Lachenden zum Weinen bringen zu können.

Muralī Brah­macārī war im selben Dorf wie Śrīla Guru­deva geboren. Er blieb für einige Jahre im Tempel in Mathurā. Auch der ältere Govinda Dāsa Bābājī wohnte im Tempel. Unbe­ein­druckt von den schwie­rigen Umständen und Ent­beh­rungen lebten sie mit Śrīla Guru­deva und prak­ti­zierten enthu­sia­stisch die neun Arten von bhakti. Die brah­macārīs kochten, was immer auf dem Markt erhält­lich war, meist nur eine oder zwei Sorten ein­hei­mi­sches Gemüse pro Jah­res­zeit. Eines dieser Sai­son­ge­müse war die Was­ser­brot­wurzel (Taro oder Kochu), eine läng­liche Wurzel, die sehr üppig am Wasser wächst. Die mei­sten Leute kauften diese Wurzel nur selten, weil sie Blä­hungen, all­er­gi­sche Reak­tionen im Hals und unan­ge­nehmes Jucken ver­ur­sa­chen kann. Große Mengen davon wurden dem Tempel gespendet und ein brah­macārī buk capatis und berei­tete die Wur­zeln sowie noch ein wei­teres Gemü­se­ge­richt zu. Nach der Opfe­rung zu den Bild­ge­stalten ehrten die wenigen Gott­ge­weihten das prasādam zusammen. Trotz ihres spar­ta­ni­schen Lebens waren die Geweihten zufrieden und enthu­sia­stisch.  Śrīla Guru­deva ser­vierte Nara­siṁha Mahārāja, Govinda Dāsa Bābājī Mahārāja und den anderen Vaiṣṇavas prasādam. Rasarāja Vra­ja­vāsī saß ernst in der Reihe. Er war kräftig gebaut und sah mit seiner Brille wie ein Gelehrter aus. Die mei­sten Gott­ge­weihten hatten kein Pro­blem mit den Kochu­wur­zeln, aber wenn Rasarāja Vra­ja­vāsī sie aß, schwoll sein Hals für meh­rere Stunden schmerz­haft an.

Eines Tages wäh­rend des prasā­dams, nachdem das erste Gemü­se­ge­richt aus­ge­teilt worden war, rief ein brah­macārī: „O Rasarāja, sei vor­sichtig! Nimm keine Suppe, die ist mit Kochu!“

Kochu?“, schrie Rasarāja Vra­ja­vāsī. „Warum habt ihr das nicht vorher gesagt? Ich habe schon davon gegessen! Mein Hals fängt schon an zu jucken und dick zu werden! Er begann sein Hals zu kratzen und nach Luft zu schnappen: „Kṛṣṇa, hilf mir! Ich kann nicht atmen!“ Er fiel keu­chend zum Boden und wand sich zwi­schen den Geweihten. Die bra­chen in schal­lendes Gelächter aus. „Habt ihr kein Mit­leid mit mir unglück­se­ligem Kerl?“ japste Rasarāja, wäh­rend er sich hin- und herwälzte.

Oh Rasarā­jajī,“ sagte der Koch, „das ist kein Kochu, das sind ganz nor­male Kartoffeln.“

Rasarāja Vra­ja­vāsī setzte sich wieder hin und lachte fröh­lich. „Haha! Ist doch viel mehr Spaß, wenn wir alle mit­spielen! Ha!“

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