von Śrī Śrīmad Bhaktivedanta Nārāyaṇa Gosvāmī Mahārāja
Erstes Kapitel
Die Bhagavad-Gītā besteht aus achtzehn Kapiteln, welche in der Botschaft von bhakti oder Hingabe zum höchsten Herrn gipfeln. Aus Arjunas Verhalten auf dem Schlachtfeld geht hervor, dass er sich dem Klagen hingibt. Kṛṣṇa erklärt, dass die ewige Beschäftigung der Seele nichts mit den Angelegenheiten des Körpers, der Familie oder der Kaste zu tun hat, obwohl diejenigen, die fälschlich den Körper mit dem wahren Selbst gleichsetzen, dies nicht verstehen können. Solange das Lebewesen von māyā, der illusionierenden materiellen Energie, gebunden wird, ist es gezwungen, zu klagen, verwirrt zu sein und sich zu fürchten. Es ist deshalb unerlässlich, die Zuflucht eines spirituellen Meisters zu suchen, der die Wahrheit kennt.
Zweites Kapitel
Sobald man einen spirituellen Meister annimmt, versteht man seinen eigenen unwissenden Zustand. Man versucht dann, von der Illusion frei zu werden, indem man seine eigenen Vorstellungen aufgibt und die Anweisung des spirituellen Meisters annimmt. Der echte Guru ist jemand, der die Wahrheit gesehen hat: ein Gottgeweihter, der reine ausschließliche Liebe für den Herrn besitzt. Deshalb ist er frei von den vier Mängeln der Illusion, des Fehlerbegehens, der unvollkommenen Sinne und des Betrugs. Indem man vom echten spirituellen Meister hört, versteht man den Unterschied zwischen der Seele und dem materiellen Körper. Man versteht auch die schädlichen Folgen von Sinnesbefriedigung und entwickelt Geschmack daran, über die Merkmale und die Herrlichkeiten der Weisen zu hören, deren Geist in der Transzendenz gefestigt ist. Durch den Einfluss dieser heiligen Gemeinschaft beginnt man zu verstehen, dass man schlüssiges Wissen von der absoluten Wahrheit braucht.
Drittes Kapitel
Wenn man Kṛṣṇas Anweisungen hört, versteht man, dass karma-yoga, der Pfad spirituellen Fortschritts darin besteht, die Früchte seiner frommen Handlungen dem Herrn darzubringen. Dafür muss man sich bemühen, ihm ohne selbstische Wünsche zu dienen. Solange das Herz voll ist mit Wünschen nach Sinnesgenuss, ist es nur Heuchelei, die Kleider der Entsagung anzulegen, und bringt niemals Glück. Man soll seine Pflicht als Dienst zu Gott ausführen, denn nur für Sinnesgenuss zu arbeiten, führt zu nichts Gutem. Fromme Handlungen wie vedische Opfer schenken Sinnenfreude, aber solche Freude ist zeitweilig und mit Leid vermischt. Die Früchte seiner Arbeit dem Herrn darzubringen, reinigt dagegen das Herz. Deshalb ist es gut, Nichtstun und sündhaftes Handeln aufzugeben, und sogar selbstisches frommes Handeln, und stattdessen selbstlos zu handeln und die Früchte dem Herrn darzubringen.
Viertes Kapitel
Das Vierte Kapitel beginnt mit Unterweisungen über jñāna-yoga, den Pfad spirituellen Fortschritts durch transzendentales Wissen. Zuerst wird erklärt, dass man Wissen über die Wahrheit nur durch die Barmherzigkeit eines spirituellen Meisters erlangen kann, der die Wahrheit gesehen hat. Dazu muss man von einer Person in der autorisierten Schülernachfolge hören. Transzendentales Wissen wird nicht durch weltliche Gelehrsamkeit, weltliches Wissen oder Intelligenz erlangt. Dieses Kapitel erklärt auch, dass eine Inkarnation des höchsten Herrn in jedem Zeitalter erscheint. Die Geburt und Taten des Herrn sind göttlich, und es ist dumm und frevelhaft, sie als gewöhnlich anzusehen. Man erlangt Wissen über die absolute Wahrheit in der Gemeinschaft eines selbstverwirklichten spirituellen Meisters. Nach und nach hört man von ihm über die Besonderheit, sich mit dem Herrn durch solches Wissen zu verbinden, um man lernt, dass dies besser ist, als nur dem Herrn die Früchte seiner Arbeit darzubringen. Ein Mensch kann leicht den Ozean von Geburt und Tod überwinden, indem er bei transzendentalem Wissen Zuflucht sucht. Der Praktizierende, der dies bezweifelt, kann keinen Fortschritt machen. Er wird herunterfallen und vom Pfad abweichen und wieder im Kreislauf fruchtbringender Tätigkeiten gefangen.
Fünftes Kapitel
Nachdem er Wissen über die Wahrheit erlangt hat, wird der Praktizierende qualifiziert, sich dem Herrn zu nähern, indem er seinen Pflichten entsagt. Er versteht dann, dass wirkliche Entsagung bedeutet, die Anhaftung an die vorgeschriebenen Tätigkeiten und ihre Früchte aufzugeben. Solange das Herz noch unrein ist, ist es angebracht und segensreich, zu arbeiten und die Früchte der Arbeit dem Herrn darzubringen, und dabei Loslösung von der Arbeit und den Ergebnissen zu üben, anstatt das Arbeiten vollständig aufzugeben. Selbstlos die Ergebnisse der Arbeit darzubringen, gibt die Qualifikation, die Natur Gottes zu erlangen. Und derjenige, der Gott kennt, erlangt Frieden.
Sechstes Kapitel
Der Praktizierende versteht durch die Anweisung des spirituellen Meisters, der die Wahrheit gesehen hat, dass man nur über den höchsten Herrn meditieren kann, wenn das Herz rein ist. Ein echter Yogi oder Entsagter hat keine weltlichen Wünsche, denn man kann nicht die Vollkommenheit im Yoga erlangen, solange man sich noch Sinnengenuss wünscht. Es ist notwendig, reguliert zu essen und zu schlafen, um Vollkommenheit im Yoga zu erlangen. Diese Vollkommenheit bedeutet 1. den höchsten Herrn als Zeugen im Herzen aller Lebewesen zu sehen, und 2. zu verwirklichen, dass alle Lebewesen nur aufgrund der Unterstützung und Zuflucht des Herrn existieren. In diesem Kapitel wird auch klar gesagt, dass ein Geweihter des Herrn höher steht als ein frommer Arbeiter, ein Weiser oder ein Yogi.
Siebtes Kapitel
Das Studium dieser Unterweisungen führt zu der festen Überzeugung und Verwirklichung, dass der höchste Herr Śrī Kṛṣṇa allein die höchste absolute Wahrheit ist und dass es keine absolute Wirklichkeit außer ihm gibt. Nur wenn man sich ausschließlich seinen Lotusfüßen hingibt, kann man von den Zwängen der illusionierenden Energie frei werden. Vier Arten von Leuten können den höchsten Herrn nicht verehren, weil sie unfromm handeln: die Dummen, die niedrigsten der Menschen, diejenigen mit dämonischer Natur und diejenigen, deren Wissen von Illusion gestohlen ist. Auf der anderen Seite werden vier Arten von Menschen, die spirituelle Verdienste besitzen, den Herrn verehren: der Neugierige, der Notleidende, der nach Reichtum Strebende und derjenige, der sich Befreiung wünscht. Geweihte des Herrn sind in dieser Welt sehr selten. Man erlangt keinen dauerhaften Nutzen, wenn man verschiedene Halbgötter verehrt.
Achtes Kapitel
Nur diejenigen, die ausschließlich dem höchsten Herrn hingegeben sind, können grundlegende spirituelle Prinzipien verstehen, zum Beispiel den unpersönlichen Aspekt des Herrn (brahma-tattva), die Prinzipien des Handelns (karma-tattva) oder die Grundlage der materiellen Manifestation (adhibhūta-tattva). Geweihte mit ungeteilter Hingabe können Kṛṣṇa leicht erreichen (Gītā 8.14). Geweihte des Höchsten Herrn werden nicht wieder geboren (Gītā 8.16). Man kann Ihn nur durch ausschließliche Hingabe erlangen (Gītā 8.22).
Neuntes Kapitel
Der König allen Wissens, das geheimste aller Geheimnisse – damit ist nur reiner hingebungsvollen Dienst gemeint. Die Natur ist nicht der eigentliche Ursprung der kosmischen Manifestation. Ihre Kraft zu Erschaffen kommt durch die Inspiration des Höchsten Herrn. Es ist dumm und frevelhaft, zu glauben, dass Śrī Kṛṣṇa, der Höchste Herr, ein Mensch sei, oder dass Sein Körper, der aus Ewigkeit, Wissen und Glückseligkeit besteht, aus fünf materiellen Elementen beschaffen ist, so wie die Körper der gewöhnlichen bedingten Seelen. Echte Heilige verehren Kṛṣṇa mit ungeteilter Hingabe und Śrī Kṛṣṇa kümmert sich persönlich um ihre Bedürfnisse. Es ist unangebracht, verschiedene Halbgötter zu verehren, den Kṛṣṇa allein ist der Genießer und Meister aller vedischen Opfer. Der Höchste Herr nimmt alles an, was Ihm von seinen reinen Geweihten mit Liebe dargebracht wird. Das Kapitel endet mit der Schlussfolgerung, dass reine Hingabe der einzige Weg ist, den Herrn zu erreichen.
Zehntes Kapitel
Durch ernsthaftes und regelmäßiges Studium dieses Kapitels wird man verstehen, dass Kṛṣṇa die Grundlage aller Größe und aller Energien ist. Das gesamte materielle Universum mit all seinen Reichtümern stellt nur ein Viertel seiner Herrlichkeit dar. Sobald man Wissen über die Größe des Herrn erlangt, kann man leicht verstehen, dass alles direkt oder indirekt zu ihm in Beziehung steht. Er gibt seinen Geweihten reine Intelligenz (buddhi-yoga), so dass sie ein fundiertes Verständnis der fundamentalen philosophischen Wahrheiten erhalten. Auf diese Weise wird ihre Unwissenheit zerstört und sie widmen sich der Verehrung in reiner Liebe.
Elftes Kapitel
Dieses Kapitel offenbart, dass die universale Form des höchsten Herrn äußerlich ist. Seine persönliche Form dagegen ist transzendental und menschengleich. Nur Geweihte, deren Augen mit der Salbe reiner Liebe bestrichen sind, können die Form des Herrn, des höchsten Genießers transzendentaler Gefühle, sehen. Er wird nur durch den Yoga ausschließlicher Hingabe erlangt.
Zwölftes Kapitel
Dieses Kapitel erklärt, dass Śrī Kṛṣṇa, der höchste Herr, keinen anderen Ursprung außer sich selber hat. Er ist die höchste Wirklichkeit sowie der höchste Gegenstand der ausschließlichen Verehrung des Lebewesens. Durch reine Hingabe kann man ihn leicht erreichen. Geweihte mit ausschließlicher Hingabe sind ihm sehr lieb. Diejenigen, die nach dem unpersönlichen Aspekt des Herrn streben und glauben, dass das Lebewesen dem Herrn gleich werden kann, erlangen nur Schwierigkeiten und Leid.
Dreizehntes Kapitel
Dieses Kapitel gewährt tiefe Einblicke in die materielle Natur und die bewussten Lebewesen. Durch diese Analyse gibt der Herr seinen ergebenen Geweihten ein klares Verständnis von der Wahrheit und befreit sie aus dem Meer der materiellen Welt. Sobald reine Hingabe im Herzen erwacht, erscheinen automatisch auch Wissen und Hingabe als begleitende Resultate. Um jedoch das eigene Verständnis von der wahren Natur der Hingabe zum Herrn zu stärken, ist es dennoch notwendig, über solches Wissen nachzudenken und es zu verwirklichen. Wenn ein Geweihter ein klares Verständnis dieser absoluten Prinzipien erlangt, wird er qualifiziert für prema, für reine liebende Hingabe zum Herrn.
Vierzehntes Kapitel
Ein Studium dieses Kapitels führt zu dem Verständnis, dass sich diese materielle Welt einfach durch die Aktionen und Interaktionen der drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur erweitert: Tugend, Leidenschaft und Unwissenheit. Bhakti-Praktizierende können leicht diese drei Erscheinungsweisen überwinden und schließlich geeignet werden, den Höchsten Herrn zu erreichen.
Fünfzehntes Kapitel
Das materielle Universum erstreckt sich von den niederen Planetensystemen zu den höheren. Die Lebewesen sind getrennte Teilchen des Höchsten Herrn. Diejenigen, die sich Ihm widersetzen, werden durch die Ergebnisse ihrer Handlungen gebunden und wandern durch verschiedene höhere und niedere Lebensformen. Durch großes Glück jedoch mag man die Barmherzigkeit eines echten spirituellen Meisters erlangen und sich unter seiner Führung gänzlich der Verehrung Kṛṣṇa widmen und Ihn allein als die höchste Person kennen. Durch das Vertiefen in diese Verehrung wird der Geweihte alles verstehen. Folglich kann er das weite Meer dieser materiellen Welt leicht überqueren.
Sechzehntes Kapitel
Dieses Kapitel erklärt die göttliche und dämonische Natur. Das Lebewesen, das durch die äußere, illusionierende Energie des Herrn verwirrt ist, wird entweder von dämonischen oder von göttlichen Eigenschaften beherrscht. Wer Zuflucht bei der göttlichen Natur sucht, wird der Verehrung des Herrn zugetan. Andersherum werden diejenigen, die eine dämonische Natur annehmen, sich vom Herrn abwenden und zur Hölle gehen. Diejenigen, die eine dämonische Natur besitzen, predigen die Theorie des māyāvāda: dass alles Illusion ist, einschließlich des Höchsten Herrn selbst. Es ist wichtig, von dieser dämonischen Neigung frei zu werden. Das kann erreicht werden, indem man den Herrn mit Vertrauen und in der Gemeinschaft reiner Gottgeweihter verehrt.
Siebzehntes Kapitel
Dieses Kapitel erklärt drei Arten von Vertrauen. Entsprechend der Gemeinschaft, die man pflegt, und der aus früheren Eindrücken entwickelten Natur, setzt ein Mensch Vertrauen in etwas in der Erscheinungsweise der Tugend, Leidenschaft oder Unwissenheit. Sobald sich aber ein Lebewesen gänzlich in die Gemeinschaft reiner Geweihter des Herrn begibt, erwacht transzendentales Vertrauen in seinem Herzen. Dann kann es den transzendentalen Herrn verehren. Ein solcher Gottgeweihter ist ein wirklicher Heiliger.
Achtzehntes Kapitel
Dieses Kapitel präsentiert die Essenz der gesamten Gītā. Zunächst wird Kṛṣṇa als die höchste Wahrheit unter all seinen transzendentalen Manifestationen herausgestellt und dann wird die vertraulichste aller Unterweisungen gegeben. Es wird erklärt, dass man den Dienst zu Ihm in Seinem höchsten Reich, welcher voller transzendentaler Gemütsstimmungen ist, erreichen kann, indem man den folgenden Praktiken nacheinander folgt:
- sich ihm ergeben,
- die neun Arten von bhakti praktizieren,
- Zuflucht bei bhāva-bhakti oder reiner, transzendentaler Hingabe suchen.