In Navadvīpa hatte Ācārya Kesarī den Plan für den Bau eines prächtigen Tempels mit neun Kuppeln in der Devānanda Gauḍīya Maṭha entworfen. Śrīla Gurudeva, Śrīla Trivikrama Mahārāja und die anderen halfen mit großem Einsatz beim Bau des Tempels mit. Śrīla Gurudeva trug in der sengenden Hitze mehrere Wochen lang jeden Tag Ziegel von der Gaṅgā zur Devānanda Gauḍīya Maṭha auf dem Kopf.
Unter intensiven Bemühungen wurde der neue Tempel in der Devānanda Gauḍīya Maṭha fertiggestellt. Während des Navadvīpa-Parikramās 1963 wurden die Bildgestalten Śrī Śrī Rādhā-Vinoda Bihārī installiert. Ācārya Kesarī lud alle ācāryas der anderen Gauḍīya Maṭhas ein, die in Navadvīpa predigten und parikramā durchführten, und sie kamen zu dem Anlass mit ihrem Gefolge. Die Zahl der Gäste betrug insgesamt über 30 000.
Nach dem Navadvīpa-Parikramā zurück in Mathurā, setzte Śrīla Gurudeva seine Publikationsarbeit fort. Er übersetzte das Śrī Caitanya Śikṣāmṛtam Bhaktivinoda Ṭhākuras und bearbeitete letzte Korrekturen, bevor er eine komplette Ausgabe des Jaiva Dharmas veröffentlichte. Kuñja Bihārī Prabhu predigte in Āgrā und andere Städten, um Gelder für Veröffentlichungskosten zu sammeln, die Patrikās zu verteilen und neue Abonnenten zu gewinnen.
Eines sengend heißen Tages beschloss Kuñja Bihārī, in der Nähe einer großen Militärbasis unter einem schattigen Baum eine Pause einzulegen. Er war durstig und griff nach seiner Feldflasche. Nach ein paar Schlucken näherten sich Offiziere der Armee und hielten Kuñja Bihārī fest, weil er eine Militärfeldflasche trug. Ein Offizier fragte ihn: „Sie sind ein Sādhu in Safran-Kleidung. Woher haben Sie diese Feldflasche?“
„Ich war früher in Lucknow als Offizier stationiert“, gab Kuñja Bihārī zur Antwort.
„Wie ist ihr Name?“
„Khem Siṁha.“
Ein Beamter prüfte seine Dokumente und stellte fest, dass er viele Auszeichnungen erhalten hatte, bevor er dem Tempel beigetreten war. Der Offizier bemerkte auch, dass er seinem jüngsten Einberufungsbefehl für die Gefechte im Himalaya nicht gefolgt war. Er fragte ihn geradeheraus: „Warum wollen Sie ein feiger sādhu sein? Das werden wir nicht zulassen. Indien braucht Sie zum Kämpfen. Das ist Ihr dharma.”
Noch am selben Tag wurde Kuñja Bihārī gegen seinen Willen zum Wachdienst nach Lucknow versetzt. Als Wochen verstrichen waren, ohne dass irgendeine Nachricht von ihm kam, machte sich Śrīla Gurudeva Sorgen und stellte Nachforschungen an. Kurze Zeit später traf ein Brief von Kuñja Bihārī ein. Er erklärte, was passiert war, und bat Śrīla Gurudeva um einen ärztlichen Attest, dass er zum Zeitpunkt des Einberufungsbescheides 1962 krank gewesen war. Śrīla Gurudeva suchte einen Arzt im Bezirkskrankenhaus Mathurā auf, einen Schüler Śrīla Bhaktivilāsa Tīrtha Mahārājas aus Māyāpura. Dieser jedoch lehnte ab, denn er fürchtete, dass er seine ärztliche Zulassung verlieren könnte. So blieb Kuñja Bihārī im Militärdienst in Lucknow.
1965 erhielt die indische Führung Informationen, dass Pakistan insgeheim Kräfte in Jammu und Kaschmir für einen Aufstand gegen die indische Herrschaft infiltrierte. Indien reagierte mit einem Angriff auf Pakistan. Kuñja Bihārī wurde geschickt, um eine Kompanie in die Schlacht zu führen. Die indischen Truppen waren den pakistanischen zahlenmäßig überlegen, besaßen aber minderwertige Waffen aus der UdSSR, während Pakistan Waffen aus den USA erhalten hatte. Was folgte, war der größte Panzerkonflikt in der Militärgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg, mit tausenden Verlusten auf beiden Seiten.
In einer Schlacht führte Kuñja Bihārī mit seiner Kompanie, bewaffnet mit veralteten Gewehren und Bajonetten, einen Überraschungsangriff auf einen Bunker hinter den feindlichen Linien. Kuñja Bihārī war der einzige, der das Gefecht überlebte. Vom eroberten Bunker aus nutzte er die schwere Artillerie, um vorrückende Panzer ausschalten. Hauptsächlich dank ihm gewann Indien eine der kritischsten Schlachten des Feldzuges. Er saß zwei Wochen lang in dem Bunker fest, konnte ihn nicht verlassen und lebte von einer Notration Energieriegel. Er verbrachte die Zeit damit, unaufhörlich harināma zu singen. Im September 1965 wurde von den Vereinten Nationen ein Waffenstillstand ausgerufen. Indien hatte die Auseinandersetzung gewonnen, aber in Bezug auf das gewonnene oder verlorene Territorium war es eine Pattsituation. Kuñja Bihārī wurde lebend im Bunker gefunden und erhielt einen Orden für seinen Einsatz. Ihm wurde angeboten: „Sie könne hin, wo Sie möchten. Was ist Ihr Wunsch?"
„Ich möchte in Ehren entlassen werden. Ich werde in Mathurā als sādhu leben.“
Unwillig stellte das Militär ihn von allen weiteren Diensten frei. Als er nach Mathurā zurückkehrte, wurde er von den Einwohnern als Held empfangen. Śrīla Gurudeva umarmte ihn und fragte nach seinem Wohl. Gurudeva war erfreut, zu hören, dass er in Ehren entlassen worden war. Kuñja Bihārī Prabhu nahm seinen Dienst in der Keśavajī Gauḍīya Maṭha wieder auf. Über die Jahre hinweg kamen oft Leute aus Mathurā, vor allem Studenten und Soldaten, um den Kriegshelden-sādhu zu treffen.
Bhaktivedānta Bhiksu Mahārāja
Srī Haridāsa Vrajavāsī war Śrīla Gurudeva ein lieber Freund. Er war strikt entsagt, von ernstem Wesen und immer im hingebungsvollen Dienst vertieft. Zu Gaura Purṇimā im Jahr 1965 weihte Ācārya Kesarī Haridāsa Vrajavāsī in den heiligen sannyāsa-Stand ein und verlieh ihm den Namen tridaṇḍi-svāmī Bhaktivedānta Bhikṣu Mahārāja. Bhikṣu Mahārāja blieb in Mathurā und unterstützte Śrīla Gurudeva in seinem Dienst. Er war ein leidenschaftlicher Prediger, dessen Lebensinhalt es war, die Worte seines spirituellen Meisters und Śrī Caitanya Mahāprabhu in die Tat umzusetzen.
Im Oktober 1966 war Ācārya Kesarī in Mathurā mit einer großen Gruppe von Devotees zugegen. Śrīla Gurudeva war dabei, die vierzig Kapitel des Jaiva Dharmas als einen Band zu veröffentlichen, und Śrīmad Bhikṣu Mahārāja reiste nach Delhi, um Papier für den Druck zu kaufen. Er fuhr am 22. Oktober nach Delhi und kehrte nach getaner Arbeit am nächsten Abend mit dem Zug nach Mathurā zurück. Der Zug bremste und pfiff laut, als er an Ekādaśī um 4 Uhr morgens im Bahnhof von Mathurā einfuhr. Bhikṣu Mahārāja war erleichtert, wieder in Mathurā zu sein, und lud Kiste für Kiste aus und stellte sie auf dem Bahnsteig ab. Als er die letzte Kiste ausgeladen hatte, versagte auf mysteriöse Weise sein Herz und er brach zusammen. Er chantete den Namen seines Gurudevas und Śrī Śrī Rādhā-Kṛṣṇas und gab seinen Körper auf.
Die Bahnpolizei sah, dass er ein Gauḍīya-sādhu und Bhāgavata Patrikās bei sich trug. Sie riefen das Uttamā Hotel in der Nähe der Keśavajī Gauḍīya Maṭha an und ließen jemanden eine Nachricht an den Tempel übermitteln. Ācārya Kesarī, Śrīla Gurudeva und die Gottgeweihten hatten gerade die Umrundung der Bildgestalten und Tulasī-Devīs nach der maṅgala-āratī beendet, als die tragische Nachricht kam. Erschüttert liefen sie auf der Stelle zum Bahnhof. Bhikṣu Mahārāja war mit einem Tuch abgedeckt. Passanten erwiesen ihm im Vorbeigehen ihren Respekt und ließen Münzen auf seinen Körper fallen. Śrīla Gurudeva beherrschte seine Gefühle, als er seinen lieben Freund auf dem Boden liegen sah. Er gab Prasādi-Tulasī, Caraṇāmṛta und andere glückverheißende Dinge, die der Bildgestalt dargebracht worden waren, in Śrīmad Bhikṣu Mahārājas Mund.
Śrīla Gurudeva und Ācārya Kesarī trugen Śrīmad Bhikṣu Mahārāja persönlich zum Einäscherungsplatz am Dhruva-Ghāṭa. Dort schrieb Ācārya Kesarī das sannyāsa-Mantra auf die Brust Bhikṣu Mahārājas und führte die letzten Riten für seinen geliebten Schüler durch.
Die sādhus aus Vraja wurden zu einer Gedenkfeier am 3. November in die Keśavajī Gauḍīya Maṭha eingeladen. Zahlreiche hochrangige Vaiṣṇavas und sannyāsīs waren anwesend und sprachen an diesem Tag. Śrīla Gurudeva verherrlichte den Dienst und die Hingabe Śrīmad Bhikṣu Mahārājas und beschrieb, wie er einzig gelebt hatte, um den göttlichen Worten Śrī Guru und Gaurāṅgas zu dienen. Zu diesem Zweck weihte er seine letzten Momente dem Dienst der vāṇī Mahāprabhus.
Zuletzt sprach Ācārya Kesarī mit tränenerfüllten Augen und erstickter Stimme. Die ganze Audienz weinte dabei. Śrīla Gurudeva veröffentlichte die Rede Ācārya Kesarīs in der Bhāgavata Patrikā, zusammen mit seiner eigenen umfangreichen Verherrlichung Śrīmad Bhikṣu Mahārājas.
„Weil ich von Geburt an brahmacārī bin“, sprach Ācārya Kesarī, „habe ich nie die Trauer der Trennung eines Vaters von seinem Kind gespürt. Doch ich habe den Schmerz der Trennung von einem Schüler voll erfahren. Nachdem ich Śrīmad Jagadbandu, Śrīman Anaṅga-Mohana und Śrīman Govardhana verloren habe, bin ich nun von meinem vierten Schüler verlassen worden.
Bhikṣu Mahārājas Vertrauen in Śrī Guru war grenzenlos und das vollkommene Ideal für einen Schüler. Seine guru-niṣṭhā wird ihm sehr dabei helfen, seinen gehegten Wunsch zu erfüllen. Selbst wenn ein sādhaka viele Fehler hat, kann guru-niṣṭhā ihn befähigen, die transzendentale Welt zu erreichen, ohne guru-niṣṭhā dagegen werden alle guten Eigenschaften dem sādhaka nicht helfen, in die spirituelle Welt zu gelangen. Somit ist guru-niṣṭhā die Grundvoraussetzung für das Erreichen von kṛṣṇa-prema. Bhikṣu Mahārāja diente vāṇī (den heiligen Worten) sein ganzes Leben lang, und am Ende ging er in eine andere Welt, während er in diesen Dienst zu Śrī Caitanya-Vāṇī vertieft war. Ein solches Leben ist ruhmreich. Er reiste nach Delhi, um Papier für Śrīla Bhaktivinoda Ṭhākuras erhabenes Jaiva Dharma und für die Bhāgavata Patrikā zu kaufen, und als er bei seiner Rückkehr Madhu-Purī erreichte ‒ die Stadt, in der Śrī Kṛṣṇa erschien ‒, umarmte Śrī Madhusūdana Hari seinen Diener Haridāsa und nahm ihn mit sich in Seine ewige Gemeinschaft. Seine Bemühung im Dienst, sein Enthusiasmus, seine guru-niṣṭhā und seine Hingabe zum bhajana werden noch lange Zeit eine Inspiration für alle sein.“