In Ṛtudvīpa war Vidyānagara der nächste Halt von Ācārya Kesarīs Parikramāgruppe. Die Veden, Upaniṣaden, Purāṇas, Smṛtis und vierundsechzig Künste haben ihren Ursprung in Vidyānagara, was wörtlich Stadt des Wissens bedeutet. Vidyānagara wird als Zentrum des Vedischen Studiums und Vedischer Unterweisungen angesehen. Śrī Brahmā unterrichtete die Weisen und Halbgötter hier und von diesen wiederum gingen die verschiedenen Zweige des Wissens aus. Der Guru der Halbgötter, Bṛhaspati, erfuhr von Brahmā, dass Kṛṣṇa im Kali-Yuga als Gaurāṅga Mahāprabhu erscheinen würde. Deshalb erschien er einige Jahre vor Mahāprabhu in Vidyānagara als Sārvabhauma Bhaṭṭācārya.
Vidyānagara ist der Ort, an dem Nimāi Seine Spiele als Gelehrter zeigt. Er kam oft hierher und besiegte die Schüler Sārvabhauma Bhaṭṭācāryas in Debatten. Alle Gelehrten Navadvīpas mieden diese Debatten mit Nimāi. In Vidyānagara dachte Gaurāṅga Mahāprabhu: „Jeder in dieser Welt studiert weltliches Wissen. Als Folge davon werden sie stolz und eine leichte Beute māyās. Hier jedoch werde Ich transzendentales Wissen verteilen, das höchste Geschenk für die gefallenen Seelen des Kali-Yugas. Wer dieses Wissen versteht, wird den Wunsch entwickeln, Kṛṣṇa zu dienen, und seine ewige Identität als geliebter Geweihter Kṛṣṇas verstehen.“
Nach der Zeremonie, in der Nimāi die heilige Schnur erhalten hatte, begann der Jagannātha Miśra nach einem guten Lehrer für seinen Sohn zu suchen. Er sandte Ihn nicht zu Advaita Ācārya, weil er fürchtete, dass Advaita Ācārya Ihn genau wie Seinen älteren Bruder beeinflussen konnte, sannyāsī zu werden. Jagannātha Miśra entschloss sich, Nimāi in Vidyānagara in die gurukula Gaṅgādāsa Paṇḍitas einzuschulen. Gaṅgādāsa Paṇḍita liebte Nimāi wie seinen eigenen Sohn und stimmte sogleich zu, Nimāi zu unterrichten.
An seinem ersten Tag in der Schule zerbrach Nimāi die Schreibtafeln Seiner Mitschüler und zerriss ihre Schreibblätter. Die aufgebrachten Schüler beschwerten sich bei Gaṅgādāsa Paṇḍita. „Nimāi erlaubt uns nicht, zu lernen“, sagten sie. „Er zerbricht unsere Stifte.“
„Nimāi, warum hast du das getan?“ fragte Gaṅgādāsa.
„Sie waren bei Ihren Vorträgen nicht aufmerksam. Sie haben sich nichts gemerkt“, erwiderte Nimāi. „Wer wird dieses Wissen verstehen, die Schüler oder ihr Schreibzeug? Sie haben nur aufgeschrieben, aber nichts im Herzen behalten. Es ist ein Vergehen, die Lehren des Gurus auf diese Weise zu missachten.“
„Du bist ein kluger Junge“, sagte Gaṅgādāsa Paṇḍita. „Hast du dir den Unterrichtsstoff gemerkt?“
Nimāi Paṇḍita gab dann alles wieder, was Gaṅgādāsa Paṇḍita unterrichtet hatte. Er sagte: „Diejenigen, die sich ganz Gurudeva ergeben, verwirklichen alles Wissen, das dieser ihnen vermittelt.“
Beeindruckt von Nimāis Intelligenz und Gedächtnis, unterwies Gaṅgādāsa Paṇḍita Ihn: „Hilf deinen Mitschülern, wahres Wissen zu erlangen. Niemand kann den Ozean der materiellen Existenz durch materielles Wissen überqueren.“
Nimāis Mitschüler allerdings sorgten sich, dass ihre Eltern erzürnt sein würden, wenn sie ohne Schreibzeug nach Hause kämen. Nimāi antwortete: „Dieser Baum hat genügend Schreibblätter und Stifte. Seht nur.“ Tatsächlich trug der Baum, unter dem sie saßen, jetzt Federkiele und stellte auch Schreibblätter bereit.
Vidyānagara ist die Wohnstätte der neun Arten der Hingabe. Wer nach Vidyānagara kommt, kann spirituelles Wissen verwirklichen und reine Hingabe und seine Beziehung zum dhāma und Dhāmeśvara (dem Herrn des dhāmas, Śrī Gaurāṅga Mahāprabhu), entwickeln. Weltliches Wissen bindet den Menschen in Illusion und transzendentales Wissen befreit ihn aus der Illusion. Selbst während er in dieser materiellen Welt lebt, wird derjenige, der spirituelles Wissen besitzt, sich mit Guru und Gaurāṅga verbinden und von den Verführungen māyās nicht verwirrt werden.