Srī Abhaya Caraṇāravinda Prabhu wohnte zwischen 1954 und 1959 etliche Male bei Śrīla Gurudeva in Mathurā. Śrīla Gurudeva diente ihm und ehrte ihn und sie waren gute Freunde. Nach außen waren sie Gefährten Mahāprabhus, die dem Herrn in Seiner Mission dienten, nāma-saṅkīrtana auf der ganzen Welt zu predigen, und innerlich dienten sie Rādhā-Kṛṣṇa in der Stimmung der Vrajadevīs. Śrī Abhaya Caraṇāravinda war als ein namhafter Vaiṣṇava-Gelehrter und Gottgeweihter bekannt. Als junger Mann hatte er die Anweisung seines spirituellen Meisters Bhaktisiddhānta Sarasvatī Prabhupāda erhalten, in englischer Sprache in den westlichen Ländern zu predigen, und er war entschlossen, diesen Auftrag zu erfüllen. Er arbeitete stetig darauf hin, den Wunsch seines Gurudevas zu erfüllen, indem er Essays schrieb und Vaiṣṇava-Schriften ins Englische übersetzte.
Śrīla Gurudeva ermutigte Śrī Abhaya Caraṇāravinda des Öfteren, sannyāsa anzunehmen. Einmal sagte er: „Als sannyāsī wird man deinen Unterweisungen mehr Gewicht beimessen.“ Zu Beginn war Śrī Abhaya Caraṇāravinda nicht sehr begeistert von dem Vorschlag, aber je öfter Gurudeva ihn wiederholte, umso weniger schien er abgeneigt.
Am 20. August 1959 kam Ācārya Kesarī mit einer Gruppe brahmacārīs aus Navadvīpa in Mathurā an. Śrīla Gurudeva und Abhaya Caraṇāravinda Prabhu hießen ihn zusammen mit den anderen Gottgeweihten aus dem Tempel am Bahnhof willkommen. Als der Zug mit etwas Verspätung eintraf, brachte Śrīla Gurudeva Ācārya Kesarī seine langausgestreckten Ehrerbietungen dar, bekränzte ihn mit einer prasādi-Girlande und trug ihm Sandelholzpaste von Rādhā-Vinoda-Bihārī auf die Stirn auf. Ācārya Kesarī umarmte Śrīla Gurudeva und Abhaya Caraṇāravinda Prabhu und gemeinsam gingen sie zur Śrī Keśavajī Gauḍīya Maṭha.
Śrīla Gurudeva schmückte den Tempel üppig für das bevorstehende Janmāṣṭamī-Fest. Am 6. September feierten Ācārya Kesarī, Śrīla Gurudeva, Śrī Abhaya Caraṇāravinda und die anderen Geweihten Kṛṣṇa-Janmāṣṭamī, Śrī Kṛṣṇas Erscheinungstag. Der Tempel war vom lieblichen Duft der vielen Blumengebinde erfüllt, was jeden unwillkürlich an Kṛṣṇas süße Spiele denken ließ. Die beispiellose Schönheit Śrī Śrī Rādhā-Vinoda Bihārīs bezauberte die Anwesenden. Von der Maṅgala-Āratī um 4.30 Uhr bis zum kīrtana-Höhepunkt um Mitternacht, erfüllten Jubelrufen, lautes Chanten und hari-kathā zur Verherrlichung Kṛṣṇas den Tempel. Der Strom von Menschen, die kamen, um Kṛṣṇa zu sehen und hari-kathā zu hören, riss nicht ab. Ācārya Kesarī saß der Abendveranstaltung vor und hielt einen eindrucksvollen Vortrag zum Thema kṛṣṇa-tattva. Anschließend bat er Śrī Abhaya Caraṇāravinda Prabhu, zu sprechen. Nach ihm dann sprach Śrīla Gurudeva über das Erscheinen Kṛṣṇas in Mathurā und Seine Geburt in Vraja.
Um Mitternacht, unter donnerndem saṅkīrtana, wurden die Rādhā-Kṛṣṇa Bildgestalten königlich gebadet, danach angekleidet und gespeist, und im Anschluss wurde prasāda an Tausende Gäste verteilt.
Am nächsten Tag fand das Nandotsava-Fest statt, mit dem Kṛṣṇas Geburt in Vraja zelebriert wird. Śrīla Gurudeva hatte für den Anlass große Mengen Süßigkeiten und Leckereien vorbereitet, und Tausende Besucher ehrten Rādhā-Vinoda-Bihārīs mahā-prasāda.
Nandotsava war zugleich auch Śrī Abhaya Caraṇāravinda Prabhus Geburtstag. Gurudeva schlug ihm vor, sannyāsa von Ācārya Kesarī anzunehmen und in den Westen zu reisen und zu predigen. Als Abhaya Caraṇāravinda weiter zögerte, wandte sich Śrīla Gurudeva an Ācārya Kesarī: „Abhaya Caraṇāravinda Prabhu ist dein Freund. Er wird auf dich hören, denn du bist sein älterer Gottbruder.“
Ācārya Kesarī rief daraufhin Abhaya Caraṇāravinda und sagte: „Nārāyaṇa Mahārāja und die anderen Jungen drängen darauf, dass du sannyāsa annimmst. Ich befürworte dies ebenfalls. Du solltest nicht länger zögern, denn du bist mehr als qualifiziert. Bitte nimm sannyāsa an, es wird in vieler Hinsicht hilfreich sein.“
Sanātana Prabhu, der anwesend war, ermutigte Abhaya Caraṇāravinda Prabhu: „Wenn du sannyāsa annimmst, werde ich das Gleiche tun.“ Sanātana Prabhu war zu der Zeit 90 Jahre alt. Abhaya Caraṇāravinda Prabhu willigte daraufhin ein und am glückverheißenden Viśvarūpa-Mahotsava-Tag fand die sannyāsa-Zeremonie statt. Śrīla Gurudeva traf die Vorbereitungen und führte das Feueropfer aus. Er zeigte Abhaya Caraṇāravinda auch, wie man die Kleidung färbte. Ācārya Kesarī weihte Abhaya Caraṇāravinda in den sannyāsa-mantra ein und verlieht ihm den sannyāsa-Namen „Svāmī“. Dies ist einer der autorisierten 108 sannyāsa-Namen, die Śrīla Bhaktisiddhānta Sarasvatī Ṭhākura aufgeführt hatte. Der Name bedeutet „Meister“ oder „Führer“. Dieser Name war höchst passend, denn Śrīla Bhaktivedānta Svāmī Mahārāja sollte aufgrund seiner unerschütterlichen Hingabe zu seinem Gurudeva der Meister unzähliger Herzen werden. Akiñcana Kṛṣṇadāsa Bābājī Mahārāja chantete von 8 Uhr morgens bis 3 Uhr am Nachmittag ununterbrochen und in süßer, ergreifender Stimmung den Hare Kṛṣṇa Mahā-Mantra.
Nach der Zeremonie bat Ācārya Kesarī Śrīla Bhaktivedānta Svāmī Mahārāja, eine Rede zu halten. Śrīla Bhaktivedānta Svāmī Mahārāja sprach auf Englisch und erinnerte daran, dass ihn sein Gurudeva eigens angeordnet hatte, in der westlichen Welt zu predigen. Er sagte: „Ich fühle mich glücklich und gesegnet, sannyāsa von meinem Gottbruder Śrīla Bhaktiprajñāna Keśava Gosvāmī Mahārāja erhalten zu haben. Ich kenne ihn seit langer Zeit und uns verbindet eine enge Freundschaft. Er ist ein wahrer Schüler unseres Jagad-Gurus Śrīla Bhaktisiddhānta Sarasvatī Ṭhākura. Er hat mich gütigerweise in den sannyāsa-Stand eingeweiht. Auch Śrīla Nārāyaṇa Mahārāja und Śrīla Muni Mahārāja haben mich dazu bewegt. Sannyāsa anzunehmen bedeutet, die Mission Śrī Caitanya Mahāprabhus und Śrī Gurus überall zu predigen. Mein Gurudeva hat mich angewiesen, in westlichen Ländern und in englischer Sprache zu predigen, und aus diesem Grund schreibe ich Artikeln und Bücher in Englisch. Ich bete zu Kṛṣṇa, Gurudeva und allen Vaiṣṇavas, dass sie mir die Kraft geben mögen, ihre Mission auf der Welt zu verbreiten.“
Bevor Śrīla Bhaktivedānta Svāmī Mahārāja zu einem vorbereiteten Programm in Agra abreiste, versicherte er Śrīla Gurudeva: „Es war mir eine große Freude, mich mit dir über den unvergleichlichen Ruhm der Vrajadevīs auszutauschen. Jetzt werde ich ihren Ruhm in die ganze Welt tragen. Zuvor habe ich Medizin für den Körper verkauft, aber nun werde ich die Medizin, die die Krankheit des Herzens heilt, frei verteilen. Ich werde unter Obhut Śrīmatī Rādhārāṇīs überall Tempel eröffnen und jeden, der kommt, durch Śrīmatījī und Ihre Nachfolger mit Kṛṣṇas Dienst verbinden.“
Śrīla Svāmī Mahārāja fragte Ācārya Kesarī, ob er einen brahmacārī als Assistenten für sein Predigen bekommen könnte. Er sagte: „Ich habe sannyāsa angenommen, meine Familie und allen Besitz aufgegeben, jetzt gehe ich predigen. Wer wird sich um mich in meinem Alter kümmern? Gib mir bitte einen brahmacārī, der mit mir reist.“
„Bhagavān hat Millionen von Dienern“, erwiderte Ācārya Kesarī. „Wenn Sein Geweihter verspricht, Ihm zu dienen, wird Er alle schicken, um ihm zu assistieren. 330 Millionen Halbgötter warten auf den Befehl des Herrn. Sind Zehntausend genug?“
„Einer oder zwei reichen“, antwortete Śrīla Svāmī Mahārāja.
Ācārya Kesarī schickte zwei Brahmacārīs, um mit Śrīla Svāmī Mahārāja in Agra, Gwaliar, Jhānsi und anderen Orten in Uttar Pradesh zu predigen. Śrīla Svāmī Mahārāja eröffnete einen Tempel in Jhānsi, wo er eine wunderschöne Bildgestallt Mahāprabhus installierte. Er predigte dort für einige Zeit, aber Kṛṣṇa hatte größere Pläne mit ihm. Dem Tempel war kein Erfolg beschieden und er brachte Mahāprabhu zur Keśavajī Gauḍīya Maṭha.
Śrīla Bhaktivedānta Svāmī Mahārāja wohnte danach in einem Raum im Rādhā-Dāmodara Tempel in Vṛndāvana, wo er sich darauf konzentrierte, das Śrīmad-Bhāgavatam in Englisch zu übersetzen und zu kommentieren. Alles, was er schrieb, las er vor den samādhis Śrīla Rūpa Gosvāmīs, Śrīla Jīva Gosvāmīs und Śrīla Kṛṣṇadāsa Kavirāja Gosvāmīs vor. Er betete zu ihnen um die Kraft, die Gauḍīya-Philosophie richtig zu präsentieren. Ohne die Barmherzigkeit der Gosvāmīs kann niemand die Botschaft Mahāprabhus weithin verbreiten.
Śrīla Bhaktivedānta Svāmī Mahārāja lebte allein in einem kleinen Zimmer mit einem Tisch, einem Bett und einem Herd. Er kochte in einem dreischichtigen Topf. Im untersten Abteil garte er den Dal, im mittleren das Gemüse und oben den Reis. Diese einfache Opferung brachte er Rādhā-Dāmodara dar und aß dann selbst. Gurudeva besuchte ihn gelegentlich in seinem Zimmer in Vṛndāvana. Sie buken Chapatis zusammen und ehrten gemeinsam prasāda. Śrīla Svāmī Mahārāja las Gurudeva seine Kommentare zum Ersten Canto des Śrīmad-Bhāgavatams vor und fragte Gurudeva nach seiner Meinung. Gurudeva bewunderte seine Erläuterungen: „Alles was du schreibst, ist vollkommen“, bekräftigte er. „Dir wurde gewiss die Gnade der Gosvāmīs zuteil.“