Der Tempel war arm und die brahmacārīs mager. Einmal täglich gingen sie, um Mehl für Chapattis zu erbetteln. In vielen Stunden außer Haus sammelten sie nur wenige Kilogramm. Falls sie an manchen Tagen aus irgendeinem Grund nicht genug brachten, fasteten die brahmacārīs. Einmal, in der Regenzeit, konnten sie wegen eines schweren Sturms drei Tage lang keine Spenden sammeln. Als sie dem Sturm trotzten und dennoch hinausgingen, öffnete niemand die Tür. Der Tempelmanager, Kuñja Bihārī Prabhu, sagte: „Es gibt kein Chapatti-Mehl, und wir haben kein Geld, welches zu kaufen. Wir müssen fasten, bis sich das Wetter ändert.“ Kuñja Bihārī Prabhu war sehr verärgert über die Situation. Er schimpfte: „Wie können wir in diesem Wetter hinaus?“
Im Tempel lebte ein älterer Bābā namens Rāsa Bihārī Prabhu, der über 100 Jahre alt war. Jeden Tag begleitete ihn ein brahmacārī auf bhikṣā, Almosen sammeln. Inmitten des Sturmes ging Rāsa Bihārī Prabhu mit einem brahmacārī zum Krankenhaus. Beim Haus des Arztes angekommen, klopfte er laut an die Tür, um den Wind zu übertönen. Nach einer Minute Klopfen öffnete der Arzt und war überrascht: „Bābā! Wie kannst du bei solchem Wetter kommen?“
Bābā sprach kein Hindi, also erklärte er auf Bengali: „Unser Mandira hat kein Chapatti-Mehl, und die Gottgeweihten hungern.“
Der Arzt verstand ihn und sagte: „Ich habe nur wenig Mehl im Haus. Lass uns welches kaufen gehen.“
Die drei gingen zum Markt und der Arzt kaufte fünf Kilo Chapatti-Mehl. Der brahmacārī brachte es zurück in den Tempel und verarbeitete zwei Kilo für das Mittagsessen. Aber sie buken keine Chapattis, denn es wäre nicht genug für alle gewesen. Stattdessen rösteten sie das Mehl trocken und kochten es in Wasser aus der Yamunā, gemischt mit Salz, Spinat und etwas altem Gemüse, das sie vom Markt erbettelt hatten. Dieses wurde an die brahmacārīs verteilt und als Suppe gegessen. Es wäre viel mehr Mehl nötig gewesen, um Chapattis für alle zu backen, und für ein Sabji hätten sie zudem Öl, Gewürze und Gemüse gebraucht. Also aßen sie Suppe, um wenigstens zu überleben.
Das Leben zu dieser Zeit war asketisch. Das Almosen-Sammeln erbrachte jeden Tag nur eine klein wenig Geld ‒ fünf oder zehn Paisā ‒, etwas Gemüse und ein paar Kilo Chapattimehl. Mit Mühe besorgten die brahmacārīs einige zusätzliche Dinge für Śrīla Gurudevas Gesundheit. Kuñja Bihārī Prabhu gab jede Woche 12 Paisā für Gurudevas Service, von denen sie etwas Seife kauften. Die brahmacārīs erhitzten Wasser und wuschen Gurudevas Kleidung mit heißem Wasser und Seife.
Śrīla Gurudeva nahm die brahmacārīs auch mit zu Hausprogrammen und lehrte sie, wie man sich beim Besuch von gṛhasthas richtig verhält. Er wies sie an, den Familien nicht zur Last zu fallen und für die Programme selbst zu kochen. Er erklärte: „Es ist für brahmacārīs nicht gut, Dienst und Essen von gṛhasthas anzunehmen. Ihr solltet ihnen dienen und für sie kochen. Säubert zuerst die Küche gründlich. Kauft die nötigen Zutaten selbst ein und kocht dann. Sorgt dafür, dass die Familie durch eure Anwesenheit nicht belastet wird. Denkt nicht, dass ihr ein wichtiger Gast, Guru oder ācārya seid. Behaltet immer die Haltung eines unbedeutenden Dieners bei.“
Mitunter besuchten die brahmacārīs mit Śrīla Gurudeva für längere Zeit verschiedene Gauḍīya Maṭhas. Weil sie dienstbeflissen waren, wurden sie von den Maṭha-Bewohnern gern gesehen. So blieben sie für gewöhnlich während Kārtika für einige Tage in der Caitanya Gauḍīya Maṭha in Vṛndāvana und manchmal auch in deren Tempel in Jagannātha Purī. Jeder übernahm Verantwortung und bereitete den brahmacārīs vor Ort keine Umstände. Die Tempelmanager und ‑geweihten freuten sich, wenn Śrīla Gurudeva zu Besuch kam, und baten ihn, bald wiederzukommen.
In seiner eigenen Maṭha in Mathurā rief Śrīla Gurudeva nach der gaura-ārati die brahmacārīs oft für einen ein- oder zweistündigen kīrtana zusammen. Gelegentlich nahm er sie auch mit auf parikramā und kīrtana zum Girirāja Govardhana und blieb mit ihnen die ganze Nacht dort.
In jenen Jahren gab es nur wenige Gottgeweihte in Mathurā. Ihre Beziehung zu Śrīla Gurudeva war sehr vertraut. Sie waren den ganzen Tag bei ihm, dienten und ehrten prasādam mit ihm, sangen kīrtana, hörten hari-kathā und gingen auf parikramā. Śrīla Gurudeva schlief vor seinem Zimmer und die brahmacārīs schliefen um ihn herum. Wenn er nachts sah, dass die brahmacārīs von Moskitos gestochen wurden, deckte er sie mit seinem eigenen chādar zu. Wurde ein brahmacārī krank, kümmerte er sich liebevoll um ihn und brachte ihn zum Arzt. Selbst wenn es anhaltende Probleme gab, half Gurudeva mit kṛṣṇa-bhakti-rasa. Dies ist die Medizin, die ein reiner Gottgeweihter den Lebewesen verabreicht. All die verschiedenen Arten von Hilfe, die er leistet, sind verschiedene Formen von kṛṣṇa-bhakti-rasa. Śrīla Gurudeva pflegte zu sagen: „sarva-auṣadhi kṛṣṇa-rasāyana ‒ der Nektar von kṛṣṇa-bhakti ist das Allheilmittel für alle Krankheiten." Gurudeva versuchte unentwegt, diesen rasa zu verteilen. Welche weltlichen Störungen gibt es für jemanden, der auch nur ein wenig davon annimmt? Selbst wenn Schwierigkeiten auftraten, schienen sie in Śrīla Gurudevas Nähe ganz unbedeutend.