Acārya Kesarī hatte die Gauḍīya Vedānta Samiti am Akṣaya-Tṛtīyā-Tag im Jahre 1940 gegründet, dem Tag, der in den Veden als der Tag der Schöpfung bezeichnet wird und der als sehr glückverheißend für neue Unternehmungen gilt. Śrīla Gurudeva und die Gottgeweihten der Keśavajī Gauḍīya Maṭha organisierten jedes Jahr an diesem Tag eine große Feier. Am 18. April 1961 wurde Śrīla Gurudeva anlässlich dieser Feierlichkeit eingeladen, als Ehrengast bei der angesehenen Mahārastra Maṇḍala Society in Mathurā zu sprechen und kīrtana zu singen.
Śrīla Gurudeva nahm einige brahmacārīs mit zu der Veranstaltung. Sie begannen mit saṅkīrtana und danach wandte sich Gurudeva mit folgenden Worten an die Zuhörer:
„Das Verständnis der meisten Menschen heute ist von westlichem Gedankengut geprägt. Sie sagen: ‚Russland und Amerika haben Menschen ins Weltall entsandt und damit ein neues göttliches Zeitalter eingeleitet. Die moderne Welt bewegt sich auf den Höhepunkt ihres Fortschritts zu.‘
Sicherlich macht die materielle Wissenschaft heute Fortschritte. Jedoch stellt sich eine Frage: ‚Werden die Hauptprobleme des menschlichen Daseins durch diese Wissenschaft gelöst? Gibt es heute weniger Nahrungsmittelknappheit als zuvor? Gibt es weniger Menschen, die hungern und nicht genug Kleidung haben? Ist das Krankheitsproblem gelöst? Nehmen Krankheiten nicht vielmehr zu? Haben wir weniger Korruption, Unmoral, Selbstmorde, Lügen, Diebstahl, Rassismus, Demonstrationen und Revolutionen als zuvor? Kann man nicht eher einen Anstieg all dieser Probleme verzeichnen? Und wird unsere Welt nicht Tag für Tag komplizierter und verworrener?‘ Die schrecklichen Ereignisse im Kongo, in Tibet, Japan und Korea sollten die stolzen Verehrer materiellen Fortschritts verstummen lassen.
Überdies: sind nicht auch Tiere Bewohner dieser Welt? Wie lassen sich die maßlose Gewalt und Grausamkeit, denen sich die Tiere in diesem ‚fortschrittlichen Zeitalter‘ ausgesetzt sehen, mit Gleichheit und universaler Liebe vereinbaren?
Solcher falscher, ja sogar barbarischer materieller Fortschritt und seine Protagonisten sind alles andere als ruhmreich. Die Wahrheit ist, dass solche Wissenschaftler, obgleich sie sich selbst für fortgeschritten halten, den materiellen Körper als das Selbst ansehen. Sie bemühen sich, den vergänglichen Körper unsterblich zu machen und in höchstmöglichem Maße zu genießen, aber gleichzeitig gestehen sie Tieren kein Existenzrecht zu und sehen in ihnen eine bloße Ware, bestimmt dazu, den menschlichen Gaumen zu erfreuen.“
Śrīla Gurudeva sprach weiter: „Die Philosophen, Weisen und Heiligen des Alten Indiens waren hochintelligent und hochqualifiziert, sich wissenschaftlich zu entwickeln, doch sie förderten den materiellen Fortschritt absichtlich nicht. Sie wussten, dass der materielle Körper nicht das Selbst ist. Sie verstanden die Seele im Körper als das Selbst, das atomisches Fünkchen Bewusstsein, Teil und Teilchen des höchsten bewussten Herrn.
Aus gewissen Grund ist die Seele jetzt von Gott getrennt und erfährt in der materiellen Welt endloses Leid im Kreislauf von Geburt und Tod. „Wie können wir ein für alle Mal aus dieser Misere befreit werden und ewiges Glück und Frieden finden?“ Darauf richteten die indischen Philosophen und Weisen ihre Aufmerksamkeit. Sie waren nicht dagegen, den Körper gesund und wohl zu erhalten, denn er ist ein nützliches Instrument, um spirituelles Wissen zu erlangen. Sie waren ebenfalls weit fortgeschritten in materieller Wissenschaft. Vor Millionen Jahren reisten Rāvaṇa und Meghanātha ohne Flugzeug, Raumschiff oder Raketen durch das Weltall zu den niederen Planeten. Agastya Muni trank das Wasser der sieben Ozeane in einem Schluck, der große Weise Vedavyāsa zeugte Söhne und Töchter einfach durch seinen Blick und Śukrācārya (der Guru der Dämonen) war sogar fähig, jene Dämonen, die im Kampf starben, durch die Kraft von Mantras wiederzubeleben. Die Errungenschaften der modernen Wissenschaft sind unbedeutend im Vergleich zu jenen in vergangenen Zeiten. Jedoch hielten die Weisen von damals dieses fortgeschrittene materielle Wissen unter Verschluss.
Der Grund dafür ist der, dass Personen wie Rāvaṇa, Meghanātha, Hiraṇyakaśipu oder Māyā Dānava, die den materiellen Wohlstand über den spirituellen Fortschritt stellen, Dämonen genannt werden. Unsere Vorfahren wussten, dass materieller Wohlstand ohne Gottvertrauen und ohne den höheren transzendentalen Reichtum den spirituellen Aspekt des Lebens vernachlässigt und letztlich Unheil hervorbringt. Aus diesem Grund förderten sie stattdessen die Erhebung des Bewusstseins durch hohe philosophische Lehren. Sie mühten sich, die Seelen vom Kreislauf von Geburt und Tod zu befreien, indem sie sie in der Wissenschaft der Gotteserkenntnis schulten.“
Śrīla Gurudeva fasste zusammen: „Wenn wir diese Welt vor ihrer Zerstörung bewahren wollen, so müssen wir uns zusammentun. An diesem glorreichen Tag sollten wir geloben, jedwede gottlose Gesellschaft auszumerzen und an ihrer Stelle eine dharmische Gesellschaft auf Grundlage unserer traditionellen spirituellen Wissenschaft und Kultur wiedereinzuführen. Nur so kann die Welt Glück und Frieden finden.“
Nach Śrīla Gurudevas Rede war es Zeit für die Abend-Ārati Śrī Viṭṭhala Bhagavāns, einer Bildgestalt, die vom Sohn Śrī Vallabhācāryas verehrt worden war. Der ekstatische kīrtana und das Tanzen unter Führung Śrīla Gurudevas bei dieser ārati begeisterte die Anwesenden. Der Vorsitzende der Mahārastra Maṇḍala, Pan. G. Bokaraji, der stellvertretende Vorsitzende N. Go. Limaye und der Minister Kasinātha Sāstrī Sahapure ehrten Śrīla Gurudeva und die brahmacārīs. Sie priesen Śrīla Gurudevas Vortrag und den kīrtana. Um 8 Uhr abends dann kehrte Śrīla Gurudeva mit seinen brahmacārīs in die Keśavajī Gauḍīya Maṭha zurück.