Das Erblühen reiner Bhakti
Viele Feierlichkeiten fanden in den Monaten von Śrīla Gurudevas Ankunft im Tempel bis zum Erscheinen Caitanya Mahāprabhus am 7. März 1947 statt. Am 11. Februar richtete Śrīla Bhaktiprajñāna Keśava Gosvāmī Mahārāja ein dreitägiges Vyāsa-pūjā-Fest zum Anlass des Erscheinens Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākuras aus. Dazu lud er Hunderte Gottgeweihte aus Bengalen, Orissa und anderen Landesteilen ein. Die Geweihten tanzten glückselig im kīrtana und prasāda wurde an Tausende Gäste verteilt. Den ganzen Tag über waren Vorträge über die Herrlichkeiten der Gauḍīya-Paramparā zu hören. Paramparā in diesem Zusammenhang bedeutet Schülernachfolge, und Gauḍīya bezieht sich auf die Tradition, die durch Caitanya Mahāprabhu über Śrīla Bhaktivinoda Ṭhākura und Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākura herabkommt. Weil Śrīla Keśava Gosvāmī Mahārājas Erscheinungstag drei Tage vor dem Erscheinungstag Śrīla Prabhupādas war, konnte Gurudeva zudem von dessen Schülern im Tempel von Ācārya Kesarīs Leben und Ruhm erfahren.
Śrīmatī Rādhārāṇī schickte Ihre geliebten Diener, Śrīla Bhaktivinoda Ṭhākura, Śrīla Sarasvatī Ṭhākura Prabhupāda, Śrīla Bhaktiprajñāna Keśava Gosvāmī Mahārāja und deren Gefährten in der Gauḍīya-Nachfolge, angefangen mit Svarūpa Dāmodara und Rūpa Gosvāmī, in diese Welt, um die Menschen an ihre Beziehung zu Kṛṣṇa zu erinnern. Śrīla Bhaktivinoda Ṭhākura erschien am 2. September 1838 in einer Familie der höheren Schichten in Vīranagara in Westbengalen. Aufgrund seiner außergewöhnlichen Qualifikationen beförderte ihn die britische Regierung in Indien auf den hochangesehenen Posten eines Magistrats. Seine Sachkenntnis und sein Können verhalfen ihm allseits zu Ruhm und Anerkennung.
Bhaktivinoda Ṭhākura bereiste unermüdlich Städte und Dörfer und inspirierte Tausende, über die glorreichen Heiligen Namen des Herrn zu hören und zu singen. 1866 begegnete Śrīla Bhaktivinoda Ṭhākura in Vṛndāvana Śrīla Jagannātha Dāsa Bābājī Mahārāja und nahm ihn als seinen unterweisenden spirituellen Meister an. Trotz seiner vielfältigen materiellen Verpflichtungen verfasste Bhaktivinoda Ṭhākura über einhundert Bücher spirituelle Literatur in verschiedenen Sprachen, zusammen mit hunderten devotionalen Liedern. An einer Stelle schrieb er:
„Wann wird der Tag kommen, an dem Menschen aller Länder, ohne Rücksicht auf Kaste und Herkunft, zusammenkommen und freudvoll im harināma-saṅkīrtana tanzen?“
Im Rahmen seines Regierungsdienstes wurde Bhaktivinoda Ṭhākura auch nach Jagannātha Purī in Orissa versetzt. Dort betete er eindringlich zu Bimalādevī, der Energie Śrī Jagannāthas: „Allein kann ich die Botschaft reiner Hingabe nicht auf der Welt verbreiten. Bitte sende einen Diener Rādhā-Kṛṣṇas, der hilft, die gefallenen Seelen zu erlösen.“
Als Antwort darauf erschien am 6. Februar 1874 Śrīla Bhaktisiddhānta Sarasvatī Ṭhākura Prabhupāda, der vierte Sohn Śrīla Bhaktivinoda Ṭhākuras und Śrīmatī Bhagavatī Devīs. Bei seiner Geburt war seine Nabelschnur wie eine heilige brāhmaṇa-Schnur um seinen Körper gewickelt. Dieses und andere Körpermerkmale wiesen ihn als eine transzendentale Persönlichkeit aus. Bhaktivinoda Ṭhākura erkannte in ihm einen von Bimalādevī, der Energie des Herrn, Gesandten, und nannte ihn deshalb Bimalā Prasāda. Schon als Kleinkind offenbarte er die Merkmale einer außergewöhnlichen Persönlichkeit. Einmal, als Bimalā Prasāda in seiner Wiege lag war, blieb Śrī Jagannātha während des jährlichen Wagenfestes vor dem Haus Bhaktivinoda Ṭhākuras stehen und bewegte sich drei Tage lang nicht von der Stelle. Als schließlich Bhagavatī Devī aus dem Haus kam und ihr sechs Monate altes Kind auf die Lotosfüße des Herrn legte, fiel Śrī Jagannāthas prächtige Blumengirlande auf ihn herab und Bhagavatī Devī gab ihm Jagannāthas mahā-prasāda als erste feste Nahrung.
Bimalā Prasāda besaß eine überdurchschnittliche Intelligenz und ein photographisches Gedächtnis. Schon in früher Jugend erlernte er die Sanskrit-Sprache meisterhaft und studierte Astrologie, Logik, Geschichte, Geographie, Sprachen und Philosophie. Besonders ungewöhnlich war sein Wissen in Astrologie. Er veröffentlichte Kommentare zu berühmten Texten wie dem Sūrya-Siddhānta. Seine Professoren, die Bimalā Prasādas einzigartige Intelligenz und Gelehrtheit schätzten, verliehen ihm den Titel Śrī Siddhānta Sarasvatī, mit dem ein brillanter Gelehrter ausgezeichnet wird. In jungen Jahren wurde ihm der Vorsitz des Lehrstuhls für Astrologie an der Universität in Kalkutta vom damaligen Rektor, Āśutoṣa Mukhopādhyāya, angeboten, aber Śrīla Sarasvatī Ṭhākura lehnte höflich ab: „Ich bin nicht in diese Welt gekommen, um die Sterne am Himmel oder die Sandkörner am Strand zu zählen.“
Im Oktober 1887 entschloss sich Bhaktivinoda Ṭhākura, nach Vṛndāvana zu reisen und sich dem bhajana zu widmen. Auf dem Weg übernachtete er in der Nähe des Tārakeśvara Mahādeva-Tempels im Birbhum Distrikt in Bengalen. Dort offenbarte sich ihm Śrī Śiva in einer Vision und sprach zu ihm: „Geh nicht nach Vṛndāvana. Der Geburtsort Mahāprabhus ist bedeckt und niemandem mehr bekannt, und Mahāprabhus reine Botschaft wird nicht länger gelehrt. Kehre deshalb nach Navadvīpa zurück und finde den Geburtsort Caitanya Mahāprabhus. Schreibe Bücher, predige bhakti und eröffne āśramas, damit Geweihte, die ernsthaft bhakti praktizieren wollen, zusammenkommen und ungehindert ein Leben in Hingabe führen können.“
Bhaktivinoda Ṭhākura betete zu Mahādeva: „Bitte segne mich, dass ich deinen Wunsch erfüllen kann. Die Menschen dieser Zeit verehren Gott und wollen bhakti praktizieren, aber sie sind von māyā angezogen und können ihre Sinne und ihre Wünsche nach Sinnesgenuss nicht beherrschen. Wie sollen solche, zwar aufrichtigen, aber schwachen Menschen dem Pfad bedingungsloser Hingabe folgen, wie ihn Mahāprabhu vorlebte?“
„Setze dein Predigen mit frischem Enthusiasmus fort”, antwortete Śiva, „ich werde für diejenigen, die sich aufrichtig wünschen, deinen Lehren zu folgen, den bedeckenden Einfluss māyās und Kalis entfernen.“
„Wann wird sich Mahāprabhus Bewegung weltweit verbreiten?“, fragte Bhaktivinoda Ṭhākura.
„Alles geschieht zu seiner Zeit“, sagte Śiva. „Die reine Hingabe, die Mahāprabhu lehrte, ist wie ein blühender Lotos. Bald wird sich sein Duft überallhin verbreiten. In den Generationen, die nach dir in der Gauḍīya-Sampradāya folgen, wird reiner bhakti-yoga zusehends verbreitet werden. Erst muss die Grundlage geschaffen werden und dann, in der dritten Generation nach dir, wird eine befreite Seele erscheinen und die Lehren spontaner Anziehung und höchster Liebe zu Rādhā-Kṛṣṇa in alle Winkel der Erde tragen.“
Bhaktivinoda Ṭhākura kehrte freudvoll nach Navadvīpa zurück und begann nach dem Erscheinungsort Caitanya Mahāprabhus zu suchen, der im Laufe der Zeit verlorengegangen war. Eines späten Abends, als er leise in seiner Hütte am Flussufer in Godruma chantete, sah Bhaktivinoda Ṭhākura ein goldenes Leuchten auf der anderen Seite der Gaṅgā. Er sah eine Strohhütte und strahlende Persönlichkeiten, die in hingebungsvoller Ekstase tanzten. Als sich diese Vision für mehrere Nächte wiederholte, überquerte er schließlich die Gaṅgā, um zu erkunden, woher das Licht herkam. Als er immer weiter vordrang, kam er zu einem Ort, der von den ortsansässigen Muslimen aufgegeben worden war. Denn obwohl sie versucht hatten, Gemüse anzubauen, wuchs dort nichts anderes als die heilige Tulasī-Pflanze.
Anschließend begab sich Bhaktivinoda Ṭhākura nach Krishnanagar, einer nahelegenden Stadt, wo er alte Karten Navadvīpas im Regierungsarchiv studierte. Er fand heraus, dass die Gaṅgā in den letzten 500 Jahren mehrfach ihren Lauf geändert und den Geburtsort Mahāprabhus erst bedeckt und später wieder freigegeben hatte und dass Mahāprabhus wahrer Geburtsort in Māyāpura auf der östlichen Seite der Gaṅgā lag.
Dies stimmte auch mit den Informationen aus den anerkannten Biographien Mahāprabhus überein, wie auch mit dem, was Bhaktivinoda Ṭhākura in seinen Visionen gesehen hatte. Für eine weitere Bestätigung sandte er einen Brief an Śrīla Jagannātha Dāsa Bābājī, das damalige Oberhaupt der Gauḍīya-Vaiṣṇavas in Indien, und bat ihn demütig, zu kommen und zu beurteilen, ob dieser Ort Mahāprabhus Erscheinungsort war.
Jagannātha Dāsa Bābājī kam aus Vṛndāvana nach Māyāpura. Wegen seines fortgeschrittenen Alters war es ihm nicht möglich, zu laufen, sondern er wurde in einem Tragekorb getragen. Doch als er in Māyāpura eintraf, sprang er auf wundersame Weise aus seinem Korb und tanzte in Glückseligkeit. Vaiṣṇavas aus ganz Indien wurden für ein saṅkīrtana-Festival eingeladen, das ein Monat lang andauerte. Als Distrikt-Magistrat stellte Bhaktivinoda Ṭhākura einen Antrag auf ein größeres Stück des umgebenden Landes, welches ihm von der Britischen Regierung gewährt wurde. Daraufhin begann er mit Ausgrabungen am Geburtsort Caitanya Mahāprabhus und fand sogar Reste von Einrichtungsgegenständen aus dem Haus Mahāprabhus, einschließlich der Bildgestalt Adhokṣaja Viṣṇus, die von Jagannātha Miśra verehrt worden war.
Śrīla Sarasvatī Ṭhākura half seinem Vater, Caitanya Mahāprabhus Geburtsort aufzubauen, und begann dann, dort zu wohnen. Kurz darauf traf er seinen spirituellen Meister, Śrīla Gaurakiśora Dāsa Bābājī Mahārāja. Im Jahre 1898 nahm er von ihm dīkṣā-Einweihung an. Gaurakiśora Dāsa Bābājī Mahārāja verkörperte das höchste Maß an strikter Entsagung, weil er unablässig in Verzückung seine innig geliebten Śrī Śrī Rādhā-Kṛṣṇa verehrte. Inspiriert vom idealen Verhalten und der Verehrung seines Gurudevas legte Śrīla Sarasvatī Ṭhākura ein Gelübde ab, eine Milliarde Heilige Namen des mahā-mantras zu chanten. Sogleich begann er mit 300 000 Namen täglich. Während der neun Jahre, die es dauern sollte, bis er sein Gelübde erfüllt hatte, trug er nur ein Kleidungsstück, welches er nach seinem täglichen Bad in der Gaṅgā an seinem Körper trocknen ließ, und er aß nur einmal täglich am Abend etwas Reis und gekochtes Gemüse ohne Salz. Śrīla Gaurakiśora Dāsa Bābājī war erfreut, die Entsagung und hingebungsvolle Entschlossenheit seines Schülers zu sehen.
Am 24. Januar 1898 erschien in Vanaripada in Ostbengalen ein ewiger Gefährte Śrīla Sarasvatī Ṭhākuras: Śrī Vinoda, der später als Śrīla Bhaktiprajñāna Keśava Gosvāmī Mahārāja bekannt wurde. Er stammte aus einer religiösen Adelsfamilie, seine Eltern Śrīyut Śaratcandra Guhaṭhākurtā und Śrīyutā Bhuvanamohinī Devī besaßen ein großes Gut. In seinem Horoskop wurde vorhergesagt, dass er einmal ein führender Vaiṣṇava-ācārya werden würde. Bhuvanamohinī zog mit ihrem Sohn nach Dūdhal, in das Dorf ihres Vaters. In Bengalen ist es üblich, dass die Mütter ihre Säuglinge mit Öl einmassieren und danach an einen warmen Ort in die Sonne legen. Eines Tages ließ Bhuvanamohinī ihren Sohn Vinoda nach einer solchen Ölmassage im Sonnenlicht auf dem Hof liegen und ging ins Haus, um ihre Haushaltspflichten zu erledigen.
Währenddessen chantete Śrīla Sarasvatī Ṭhākura die Heiligen Namen und dachte darüber nach, wie er dem Wunsch seines Vaters Bhaktivinoda, die reine bhakti der Gauḍīya-Sampradāya zu verbreiten, gerecht werden könnte. Er dachte: „Den Seelen ist es bestimmt, Freude zu kosten, denn sie sind Erweiterungen von Kṛṣṇas göttlicher Energie, der personifizierten Glückseligkeit. Trotz all ihrer Bemühungen, glücklich zu werden, widerfährt den bedingten Seelen aufgrund ihrer Unwissenheit endloses Leid. Wie kann ich der Welt vinoda, ewiges Glück, schenken? Wann wird Vinoda kommen?“
Śrī Garuḍa, der Adler, der Śrī Viṣṇu trägt, hörte sein Gebet und entschloss sich: „Für die Freude Viṣṇus muss ich Vinoda zu Bimalā Prasāda bringen.“ Garuḍa flog in das Dorf Dūdhal herab, hob das Baby Vinoda vorsichtig hoch und stieg sofort zum Himmel auf.
Gerade in dem Moment kam Bhuvanamohinī, um nach ihrem Sohn zu schauen und sah plötzlich ihr zartes Kind in den Krallen eines schon weit entfernen goldenen Adlers. Sie schrie in großer Angst, rannte dem Adler nach und betete: „Oh Gott, bitte rette meinen Sohn! Wenn Du ihn zurückbringst, verspreche ich Dir, dass ich ihn Deinem Dienst weihe.“ Hunderte Dorfbewohner kamen aus ihren Häusern, als sie den Tumult hörten. Brāhmaṇa-Priester wurden gerufen und sie begannen Schutzmantras zu chanten. Garuḍa empfand Mitleid mit Vinodas Mutter, und weil er wusste, dass Vinoda sich später Bimalā Prasāda anschließen würde, legte er das Kind auf einer schwimmenden Betelnussrinde in der Mitte eines nahegelegenen Sees ab und flog davon. Bhuvanamohinī, die dem Adler nachgerannt war, sah aus einiger Entfernung, wie ihr Sohn im Wasser abgelegt wurde. Mit den schlimmsten Befürchtungen sprang sie in den See und schwamm rasch, ihn zurückzuholen. Als sie zum Ufer zurückkehrte, untersuchte sie ihr Baby gründlich, aber als sie feststellte, dass ihm nichts geschehen war, pries sie den Herrn vor Freude überschwänglich.
In Māyāpura folgte Śrīla Sarasvatī Ṭhākura weiter seinen täglichen Gelübden und unterstützte währenddessen Śrīla Bhaktivinoda Ṭhākura bei seinen Zeitschriften und beim Predigen und kümmerte sich um Mahāprabhus Geburtsort. Im Jahre 1911 forderten die orthodoxen brāhmaṇas aus Bengalen die Vaiṣṇava-Gemeinde mit der Behauptung heraus, dass diejenigen, die aus anderen Kasten stammten, keine brāhmaṇa-Einweihung erhalten und somit auch keine Veden studieren durften. Es wurde eine Konferenz in Medinapura-Distrikt in Bengalen abgehalten, um den Sachverhalt zu diskutieren. Auf Anweisung Bhaktivinoda Ṭhākuras gab Śrīla Sarasvatī Ṭhākura dort als Vertreter der Vaiṣṇavas einen Vortrag. Er verherrlichte zuerst ausgiebig mit Versen aus den Schriften die brāhmaṇas, bewies danach aber mit Aussagen der Veden, dass im Grunde alle Lebewesen Teile parabrahmas, der höchsten Seele, und daher von ihrer Essenz her brāhmaṇas sind. Aufgrund ihrer Abkehr von Gott fallen die Lebewesen in diese materielle Welt und werden deshalb als śūdras bezeichnet, als diejenigen, die in Klagen vertieft sind. Vaiṣṇavas sind wahre brāhmaṇas, weil sie eine unmittelbare Beziehung zu Parabrahma besitzen und sich immer freudvoll in Seinem Dienst beschäftigen.
Später im selben Jahr, auf einer anderen Gelehrtenkonferenz, stärkte Śrīla Sarasvatī Ṭhākura das Vertrauen der Anwesenden in die Göttlichkeit Caitanya Mahāprabhus, indem er mit Zitaten aus der Caitanya-Upaniṣad des Atharva-Vedas, aus anderen Upaniṣaden und den Purāṇas die Ewigkeit des gaura-mantras bewies.
So wurde Bhaktisiddhānta Sarasvatī Ṭhākura zum Empfänger der Segnungen und der vollständigen Barmherzigkeit Bhaktivinoda Ṭhākuras. Die letzten Tage seines Lebens verbrachte Śrīla Bhaktivinoda Ṭhākura in Godruma und vertiefte sich in bhajana. Er dachte darüber nach, wie den bedingten Seelen geholfen werden konnte. Er hatte mehr als einhundert Bücher in Sanskrit, Bengali, Oriya, Hindi, Urdu und Englisch für die spirituelle Erhebung der Menschen verfasst. Aber wie konnten diese Lehren verbreitet werden und wo konnten die Geweihten sie in einem günstigen Umfeld praktizieren? Bhaktivinoda Ṭhākura wies deshalb Śrīla Sarasvatī Ṭhākura an: „Jetzt, da Mahāprabhus Geburtsort wieder enthüllt ist, solltest du Zentren für bhakti eröffnen und dort die reine Hingabe der vraja-devīs lehren. Predige den Ruhm Māyāpuras durch spirituelle Literatur, führe alljährlich Pilger durch Navadvīpa-Dhāma und gründe Tempel. Errichte zuerst die Caitanya Maṭha im Māyāpura und eröffne dann Gauḍīya Maṭhas überall auf der Welt. Ich habe überall in Indien die Menschen dazu gebracht, die Heiligen Namen zu chanten, aber ohne āśramas bleiben sie weiter der materiellen Krankheit ausgesetzt. Öffne deshalb Zentren, in denen sie von Klagen, Angst und Illusion geheilt werden können und ihnen die süße Medizin des vraja-rasa (der göttliche Liebe Vrajas) verabreicht wird.“
Śrīla Bhaktisiddhānta Sarasvatī Ṭhākura nahm diese Anweisungen vertrauensvoll an. Am 23. Juni 1914 verschied Bhaktivinoda Ṭhākura von dieser Welt. In Trennung von seinem spirituellen Beschützer chantete Śrīla Sarasvatī Ṭhākura in Māyāpura inständig und unablässig harināma und betete: „Oh Rādhe, bitte sende deine Nachfolger in diese Welt, um Liebe zu Kṛṣṇa zu lehren.“
Nach Jahren intensivster Entsagungen offenbarte sich Gaurāṅga Mahāprabhu selbst, in Begleitung seiner wichtigsten Gefährten, Śrīla Sarasvatī Ṭhākura in einer Vision. Mahāprabhu unterwies ihn: „Jetzt ist die Zeit gekommen, die Gauḍīya Maṭha zu gründen und zum Wohle aller harināma-saṅkīrtana zu verbreiten. Ich habe Meine Gefährten bereits gesandt, um dich zu unterstützen. Bald werden sie sich dir anschließen und dir helfen, die Botschaft göttlicher Liebe zu predigen.“
Mahāprabhu segnete Śrīla Bhaktisiddhānta Sarasvatī Ṭhākura und entschwand dann. Śrīla Sarasvatī Ṭhākura war mittellos und ohne Unterstützung, aber die Energie, mit der er ermächtigt war, übertraf an Kraft sogar die Stärke Vaikuṇṭhas. Zusammen mit seinen hingegebenen Nachfolgern sollte er in kürzester Zeit mādhurya (die Süße der Spiele Śrī Rādhā-Kṛṣṇas) und audārya (die Barmherzigkeit Śrī Caitanya Mahāprabhus) auf der ganzen Welt verteilen.
Zehn Jahre zuvor war Vinoda Bihārī zu einem kräftigen Jungen herangewachsen. Merkwürdigerweise hatte er bis zum Alter von sieben Jahren immer noch kein Wort gesprochen und nichts anderes als die Milch seiner Mutter zu sich genommen. Selbstredend war seine Familie darüber ernsthaft besorgt. Eines Tages besuchte ein sādhu ihr Haus, und Bhuvanamohinī, nachdem sie ihn bewirtet hatte, fragte ihn, wir ihr Sohn von dieser seltsamen Anomalie geheilt werden könnte.
„Gehe zu der Schusterfamilie, die auf deinem Land lebt“, unterwies sie der Sādhu. „Dieses Ehepaar verehrt mit großer Hingabe Gaura-Nitāi. Wenn du ihre mahā-prasāda-Essensreste deinem Sohn bringst, wird er anfangen, zu essen und zu sprechen.“
„Wie kann ich die Essensreste von Leuten, die mit Leder arbeiten, meinem Sohn geben?“ dachte Bhuvanamohinī. Dennoch befolgte sie den Rat des sādhus und ging eines Abends, nachdem es dunkel geworden war, zu dem Haus der Schuster. Als sie dort eintraf, sah sie, wie das Ehepaar vor den Gaura-Nitāi-Bildgestalten sang. Gaura-Nitāi schenken ihre Zuneigung einem jeden, ungeachtet seiner Herkunft oder Stellung. Das Ehepaar war überrascht. Achtungsvoll empfingen sie Bhuvanamohinī: „Es ist unser großes Glück, Sie zu sehen. Warum sind Sie persönlich ins Haus ihrer niedrigen Sassen gekommen? Sie hätten ihren Diener schicken können, dann wären wir zu Ihnen gekommen.“
„Bitte opfern Sie bhoga zu Gaura-Nitāi“, sagte Bhuvanamohinī, „nehmen Sie prasāda zu sich und geben Sie mir etwas von Ihren Essensresten.“
„Ausgeschlossen!“ riefen die beiden. „Wir können Ihnen unser Leben geben, aber nicht unsere Essensreste!“
„Ich bitte Sie inständig“, erwiderte Bhuvanamohinī, „erfüllen Sie mir meinen Wunsch. Es ist eine überaus wichtige Angelegenheit.“
Doch das Paar lehnte ab, obgleich Bhuvanamohinī wiederholt darum bat. Schließlich, unter dem Einfluss der mystischen Kraft des Höchsten Herrn, opferte das Ehepaar Essen zu Gaura-Nitāi, nahm etwas davon zu sich und gab die Speisereste Bhuvanamohinī. Sie kehrte damit nach Hause zurück und gab das mahā-prasāda Vinoda, der es mit großer Zufriedenheit aß. Dann, mit sieben Jahren, begann Vinoda endlich zu essen und zu sprechen. Daraus lässt sich ersehen, dass die Vaiṣṇavas das mahā-prasāda von Geweihten des Herrn mehr verehren als das unmittelbare prasāda des Herrn.
Vinoda war ein begabtes und außergewöhnliches Kind. Mühelos meisterte er die Schule. Er gründete aus eigener Initiative mit seinen Schulfreunden ein brahmacārī-Bund, indem er erklärte: „Der Sinn des menschlichen Lebens besteht darin, sich nicht den Freuden der Sinne, sondern vollständig dem Dienst Gottes zu widmen. Jeder, der unseren Bund beitreten möchte, muss versprechen, für das spirituelle Wohl unseres Landes sein ganzes Leben dem Zölibat zu folgen.“ Angezogen von seinem Charisma traten viele junge Männer seinem Bund bei. In der Hochschule forderte Vinoda seine Lehrer heraus, um ihre unpersönlichen Konzepte über die Absolute Wahrheit zu beseitigen, aber er tat es auf eine solch taktvolle Art, dass sie ihm trotzdem wohlgesinnt blieben.
In Indien ist es üblich, dass Berufssprecher das Bhāgavatam gegen Bezahlung vortragen. Vinoda war ärgerlich, als er sah, dass die meisten dieser Gelehrten die Schriften nicht nur gegen Geld vortrugen, sondern auch den Unterweisungen der Schriften, aus denen sie lehrten, nicht selbst folgten. Er dachte: „Viele sogenannte Nachfolger Mahāprabhus predigen das Bhāgavata, aber sind zugleich ihren schlechten Gewohnheiten verfallen. Sie können Berauschung und andere sündhafte Handlungen nicht aufgeben. Mahāprabhu hat jedoch unterwiesen, dass er nichts von jemandem annehmen wird, der nicht mindestens 100 000 Heiligen Namen täglich chantet. Wo kann ich einen Heiligen finden, der Mahāprabhus Anweisungen wahrhaft folgt?“
Es begab sich, dass die ersten weiblichen Schülerinnen Śrīla Sarasvatī Ṭhākuras, Śrīyuta Sarojavāsinī Devī und Priyatama Devī, Vinodas Tanten waren. Vinoda erfuhr von ihnen von der Größe und Erhabenheit ihres spirituellen Meisters, und 1915 kam er mit ihnen zusammen zum Navadvīpa-Dhāma-Parikramā, um diesen großen Heiligen persönlich zu ehren. Śrīla Sarasvatī Ṭhākura hatte kurz zuvor begonnen, sein Predigen auszuweiten. Seine Schüler hatten ihm den Titel Prabhupāda verliehen, welcher bedeutet: (1) derjenige, der andere den Lotosfüßen des Herrn (Prabhu) darbringt und ihnen damit die Gelegenheit gibt, Prabhu zu dienen; (2) derjenige, der selbst immerzu den Lotosfüßen seines Prabhus dient; und (3) derjenige, dessen Füßen viele große Persönlichkeiten dienen.
Schon bei der ersten Begegnung mit Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākura war Vinoda von dessen heiligen Eigenschaften beeindruckt und versprach, ihm lebenslang zu dienen. Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākura erwähnte vor Vinodas Tante, Sarojavāsinī Devī, dass er entschlossen war, Tempel auf jedem der neun Inseln Navadvīpa Dhāmas zu gründen, wie auch Zweige der Gauḍīya Maṭha in ganz Indien und auf der ganzen Welt, und durch diese Zentren spirituelle Literatur zum Wohl der Allgemeinheit zu veröffentlichen und zu verbreiten.
Sarojavāsinī Devī fragte demütig: „Śrīla Prabhupāda, wie wird es Ihnen möglich sein, so viele Tempel zu erhalten? Sie haben kaum genug brahmacārīs, um während der ārati Instrumente zu spielen.“
Prabhupāda wies auf ihren Neffen und sagte: „Vinoda wird dafür sorgen. Er wird sich um die Tempel kümmern und jeden im freudvollen Dienst Rādhā-Kṛṣṇas und Mahāprabhus beschäftigen.“
Bald darauf erhielt Vinoda Bihārī Einweihung von Prabhupāda. Im selben Jahr schickte ihn Prabhupāda auch zu seinem eigenen spirituellen Meister, Gaurakiśora Dāsa Bābājī Mahārāja, um dessen Segnungen zu erbitten. Gaurakiśora Dāsa Bābājī Mahārāja hatte sich in einer öffentlichen Toilette in Kuliyā eingeschlossen, weil er es leid war, den Mief der Materialisten zu ertragen, die ihn besuchten und seinen bhajana störten. Śrīla Bābājī Mahārāja war erfreut, Vinoda Bihārīs festen Vertrauen in seinen Guru zu sehen und segnete ihn: „Ich habe die Verantwortung für dich übernommen und alle Hindernisse in deinem Leben beseitigt. Diene deinem Guru Mahārāja furchtlos und predige Śrī Caitanya Mahāprabhus Botschaft und Herrlichkeit.“
Vinoda Bihārī weinte, als er diese Segnung von seinem spirituellen Großvater vernahm. Er fiel Śrīla Bābājī Mahārāja zu Füßen und strich sich den Staub von dessen Füßen auf seinen Kopf.
Am 17. November 1915 ging Śrīla Gaurakiśora Dāsa Bābājī Mahārāja in die spirituelle Welt zurück. Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākura gab seinen transzendentalen Körper in samādhi. Im Jahre 1918 nahm Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākura formell den entsagten Lebenstand, sannyāsa, an und wurde fortan als Śrī Śrīmad Bhaktisiddhānta Sarasvatī Ṭhākura Prabhupāda bekannt. Mit großem Enthusiasmus begann er eine beispiellose Bewegung, um die Herzenswünsche seiner spirituellen Meister zu erfüllen. Noch im gleichen Jahr gründete er die Śrī Caitanya Maṭha in Māyāpura und ein Zentrum für die Öffentlichkeit in Kalkutta, von dem aus er spirituelle Literatur verlegte.
1920 meldete er die Gauḍīya Maṭha offiziell an und seine Bewegung nahm Fahrt auf. Es war die Zeit, in der die indische Bevölkerung in Mahātmā Gāndhīs gewaltloser Bewegung oder in Subhash Candra Boses bewaffnetem Widerstand im Untergrund um Freiheit von der britischen Herrschaft kämpften. Zugleich aber initiierte Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākura mit der Gauḍīya Maṭha eine spirituelle Revolution, der sich Tausende Leute anschlossen und in der Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākura lehrte, wie man alle weltlichen Hindernisse überkommt und die Seele von der materiellen Existenz befreit. Gelehrte Menschen aus ganz Indien ergaben sich Prabhupāda und er verwandelte sie in reine Vaiṣṇavas. Er weihte qualifizierte junge Männer in den sannyāsa-mantra ein und sandte sie in Begleitung von brahmacārīs aus, um die saṅkīrtana-Bewegung Mahāprabhus zu verbreiten.
Prabhupādas Predigen brachte Kali Mahārāja, den König des Zeitalters des Streites, auf, denn es wandte sich gegen die sündhaften Tätigkeiten, die im Namen der Religion ausgeübt wurden. Kali Mahārāja eröffnete Zentren auf der westlichen Seite der Gaṅgā, um die Suchenden vom rechten Weg abzulenken. Er kleidete sie wie entsagte Vaiṣṇavas, lehrte sie erfundene Mantras, die nicht in den Schriften zu finden sind, und predigte: „Liebe kennt keine Regeln. Esst Fisch, trinkt Alkohol und vergnügt euch. Je mehr ihr alle Unterscheidung aufgebt, desto glücklicher werdet ihr.“ Prabhupāda dagegen führte strenge Regeln und Regulierungen ein. Diejenigen, die sich vom vorgeschriebenen Pfad abwandten, tendierten zu den Pseudo-bābājīs, die unter dem Vorwand zurückgezogenen bhajans ihre Sinne befriedigten. Jedoch wird jemand, der sich auch nur ein wenig mit dem Vaiṣṇavatum beschäftigt, verstehen, dass es dort keinen Platz für Zügellosigkeit gibt.
Trotz Kalis Bemühung verbreitete sich Prabhupādas Bewegung rasant, vor allem durch die auflagenstarke Herausgabe einer spirituellen Tageszeitung sowie wöchentlicher, halbmonatlicher und monatlicher Zeitschriften in verschiedenen Sprachen. Die gebildete Schicht schätzte Prabhupāda als eine lang erwartete Stimme der Reinheit und Wahrheit im Dickicht pseudoreligiöser Scharlatane. Weil er deren Dekadenz aufzeigte, wuchsen aber zugleich unter den bābājīs und smārtas die Missgunst und der Neid auf den wachsenden Erfolg Prabhupādas. Ihr Ärger wurde mit jedem Jahr größer und sie spannen Intrigen, um Prabhupādas Predigen zu hintertreiben und ihm nach dem Leben zu trachten.
Im Verlauf des Navadvīpa-Dhāma-Parikramās 1925 wurde die Gruppe friedfertiger Pilger unerwartet von einer zornigen Rotte angegriffen und mit Steinen, Ziegeln und Glasflaschen beworfen. Panik brach aus. Als Śrī Vinoda Bihārī (Śrīla Keśava Gosvāmī Mahārāja) sah, dass das Leben seines Gurudevas in Gefahr war, handelte er sofort. Während jeder davonlief, um sich in Sicherheit zu bringen, zog er Prabhupāda in ein nahegelegenes Haus und tauschte mit ihm die Kleidung – seine weißen Sachen gegen die sannyāsa-Kleider Prabhupādas – und sandte ihn dann unbemerkt zurück nach Māyāpura. Er selbst dagegen stellte sich den Angreifern.
Über die nächsten zehn Jahre hinweg gründete Prabhupāda 64 Tempel, āśramas und Zentren und weihte auf seinen Reisen und Pilgerfahrten durch Indien zehntausende Menschen in die Schülernachfolge reiner bhakti ein. Er sandte auserwählte Repräsentanten ins Ausland, die unter anderem Zentren in Burma und England eröffneten. Seine Tempel waren wie Rehabilitationszentren für die leidenden Seelen dieser Welt. Viele sogenannte religiöse Führer bemühen sich ausschließlich um die Verbesserung der Gesellschaft. Ohne die spirituelle Entwicklung in den Mittelpunkt zu stellen, beschäftigen sie ihre Nachfolger mit Wohlfahrtstätigkeiten wie dem Bauen von Krankenhäusern und Schulen. Solche Krankenhäuser helfen bei physischen und mentalen Krankheiten, heilen aber nicht das wahre Übel – unsere Unwissenheit über unsere wahre Natur und unsere Krankheit, selbst der Herr der Schöpfung sein zu wollen.
Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākura zeigte das Mittel zum wahren Erfolg auf, indem er die Welt unterwies: „Weil die Seele zum Körper und Geist transzendental ist, gehört sie zu keiner Kaste oder sozialen Einteilung. Haltet euch von der giftigen Schlange des Sinnesgenusses fern. Erkennt euch als Dieners Kṛṣṇas, welcher die höchste Zuflucht ist, das Reich transzendentalen Glücks und der Geliebte Śrīmatī Rādhārāṇīs. Auf diese Weise werdet ihr befreit und könnt eure wahre Identität als liebende Diener Śrī Śrī Rādhā-Kṛṣṇas unter der Führung der Vraja-devīs erlangen.“
Vinoda Bihārī Brahmacārī leitete mehrere Zentren in Indien, eine Schule (das Bhaktivinoda-Institut), und den Verlag, der die regelmäßig erscheinenden Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichte. 1934, in der großen Zusammenkunft, die Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākura jährlich nach Gaura-Pūrṇimā abhielt, würdigte Prabhupāda den hervorragenden Beitrag Śrī Vinoda Bihārī Brahmacārīs, indem er ihm den Titel kṛtiratna verlieh (übertragen: „Meister in allen Tätigkeiten“). Prabhupāda verherrlichte seinen vertrauten Diener nicht nur als ein Juwel an Geschick, sondern auch als ein Juwel seines Herzens. Śrī Vinoda Bihārī, gleich dem Stein der Weisen, hatte die besondere Eigenschaft, das Herz eines jeden, der in seine Gemeinschaft kam, zu wandeln.
Im Dezember 1936 deutete Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākura an, dass er diese Welt bald verlassen würde. Er rief seine wichtigsten Schüler nach Kalkutta und wies sie an: „Vergesst nie, dass es eure Berufung ist, die Botschaft der spirituellen Welt hochzuhalten, selbst gegen jede Opposition und selbst angesichts unzähliger Hindernisse.
Schließt nur die Gefühle Śrīla Rūpa und Śrīla Raghunātha Dāsa Gosvāmīs in euer Herz und gib sie an jeden weiter, der euch begegnet. Unsere höchste Bestrebung ist der Fußstaub der Lotosfüße der Nachfolger Śrī Rūpas. Ich werde immer gegenwärtig sein und denen helfen, die Respekt und Vertrauen besitzen, die den Dienst Śrīmatī Rādhārāṇīs schätzen und sich wünschen, in Ihrer Gruppe unter der Führung Śrī Rūpas zu dienen.“
Śrīla Prabhupāda schrieb 108 Grundsätze für seine Nachfolger im Allgemeinen nieder und übertrug seine gesamten Besitztümer führenden brahmacārīs und gṛhasthas. Zu den zahlreichen sannyāsīs sagte er: „Ihr lebt im entsagten Stand, warum sollte ich euch Vermögen und Besitz hinterlassen? Ich möchte euch nicht in diese unbedeutenden Dinge verstricken. Die ganze Welt gehört euch zum Predigen. Veröffentlicht Bücher, reist umher und predigt die Botschaft und Herrlichkeit Mahāprabhus.“
Am frühen Morgen des 31. Dezembers 1936 kehrte Śrīla Prabhupāda in die Spiele Rādhā-Kṛṣṇas zurück. In Abwesenheit des starken Vorbilds und Lehrers brach ein Streit über seinen Nachlass aus und viele der missionarischen Tätigkeiten kamen zum Erliegen. Um das Predigen wieder zu beleben, erwarb Śrī Vinoda Bihārī in Bospāḍā in Kalkutta eine Druckerpresse und gründete 1940 die Gauḍīya Vedānta Samiti. Als Gründungsmitglieder unterzeichneten Abhaya Caraṇa Bhaktivedānta Prabhu, Sajjana-Sevaka und Nārāyaṇa Chattarjee. Śrī Vinoda Bihārī gründete die Samiti am Akṣaya-Trītīyā-Tag, dem glückverheißendsten Tag für eine neue Unternehmung im Vedischen Kalender. Anschließend errichtete er die Devānanda Gauḍīya Maṭha in Navadvīpa. Eines nachts erschien Prabhupāda ihm im Traum und unterwies ihn: „Jetzt musst du sannyāsa annehmen. Dein Name wird Bhaktiprajñāna Keśava Mahārāja lauten.“ Prabhupāda hatte viele Male versucht, ihm sannyāsa zu geben, doch führende Gottgeweihte hatten immer wieder Einwände erhoben: „Wer wird sich um die Maṭhas kümmern, wenn Vinoda sannyāsī wird?“ Deshalb hatte Prabhupāda gewartet. Im Jahre 1940 nun, am Viśvarūpa-Pūrṇimā-Tag, nahm Śrī Vinoda Bihārī in der Stadt Katavā in Navadvīpa im Kreis seiner Gottbrüder sannyāsa an. Jetzt als Śrīla Bhaktiprajñāna Keśava Gosvāmī Mahārāja bekannt, begann er kraftvoll die Lehren seines Gurudevas zu verbreiten.
Śrīla Bhaktivinoda Ṭhākura befreite den Strom reiner Hingabe von den Hindernissen verschiedenster Fehlauffassungen, die nach dem Fortgehen Caitanya Mahāprabhus erwachsen waren. Durch die Kraft seines intensiven bhajanas erhellte er die Botschaft der vraja-bhakti in zahlreichen transzendentalen Schriften. Er hegte den starken Wunsch nach einer ermächtigten Persönlichkeit, die Verantwortung übernehmen würde, den Nektar der vraja-bhakti zu verbreiten. Śrīla Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākura eröffnete Vraja-Pattana und die Gauḍīya-Maṭha: Ausbildungsstätten, zu denen Menschen kommen und ihren Dienst im transzendentalen Vraja erwecken konnten. Er dämmte das Treiben der Unpersönlichkeitsanhänger, billigen Nachahmer und hochmütigen Kasten-brāhmaṇas ein. Ācārya Kesarī bewahrte die Mission Prabhupādas und baute sie weiter aus. Er zog die zukünftigen Verteiler des vraja-bhakti-rasa auf und bildete sie aus. Sein Gottbruder und sannyāsa-Schüler, Śrīla Bhaktivedānta Svāmī Mahārāja, verbreitete die Bewegung für Kṛṣṇa-Bewusstsein in allen Ecken der Welt und reichte dann den Staffelstab des Predigens an Śrīla Gurudeva weiter. Śrīla Gurudeva schließlich entfaltete die Mission in beispielloser Weise weiter, indem er weltweit vraja-bhakti propagierte und so die Wünsche der Guru-varga erfüllte.