Das Erwecken von Anurāga
Zum Gaura-Pūrṇimā-Fest lud Ācārya Kesarī viele ältere Schüler Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākuras ein, damit sie seine ersten sannyāsīs segnen mochten. Śrīla Bhaktivedānta Vāmana Mahārāja, Śrīla Bhaktivedānta Trivikrama Mahārāja, und Śrīla Bhaktivedānta Nārāyaṇa Mahārāja wurden gebeten, vor einer großen Zuhörerschaft zu sprechen. Śrīla Bhaktivedānta Vāmana Mahārāja und Śrīla Bhaktivedānta Trivikrama Mahārāja sprachen über die Bedeutung von sannyāsa:
„Sannyāsa anzunehmen bedeutet, allem außer dem Dienst Kṛṣṇas zu entsagen. Wahre Entsagung bedeutet völlige Hingabe, die aus Liebe entspringt. Solange Körper, Geist und Worte nicht im liebenden Dienst Verwendung finden, bleibt die Entsagung äußerlich und zeitweilig. Die Natur der Seele besteht darin, zu lieben. Diese Neigung, zu lieben muss auf Kṛṣṇa gerichtet sein.
Durch die Einweihung in den entsagten Lebensstand wird man in die sannyāsa-Schule aufgenommen und erhält damit die Gelegenheit, sein Leben zu vervollkommnen. Ein echter sannyāsī ist vierundzwanzig Stunden am Tag in Kṛṣṇas Dienst tätig. Die Stufen des Praktizierens im sannyāsa-Stand sind nicht das gleiche wie die vollkommene Stufe. Erst wenn bhakti im Herzen erwacht, entsteht reine Anziehung zu Kṛṣṇa und die Seele verwirklicht ihre ewige Form. Auf dieser Stufe wird man allen Tätigkeiten, die für bhakti hinderlich sind, natürlich entsagen.
Die Gopīs von Vraja sind die vollkommenen sannyāsīs. Als Kṛṣṇa sie auf Seiner Flöte rief, gaben sie auf der Stelle alles auf und schauten nie wieder zurück.
yā dustyajaṁ sva-janam ārya-pathaṁ ca hitvā
bhejur mukunda-padavīṁ śrutibhir vimṛgyām
Śrīmad Bhāgavatam 10.47.61
Aho! Die Vrajadevīs gaben alles auf, was nur schwerlich aufzugeben ist, wie die Bindung an ihre Familie und ihren guten Ruf, und suchten ausschließlich Zuflucht bei dem Pfad Śrī Kṛṣṇas, der ewiglich von den Śrutis erstrebt wird.
Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākura unterwies seine sannyāsīs: ‚Der Vaiṣṇava-sannyāsī nimmt als ein Zeichen seiner Entsagung einen Stab an, der aus drei Bambusstöcken gefertigt wird. Dies bedeutet, dass man seinen Geist, seinen Körper und seine Sprache Kṛṣṇas Dienst verschreibt. Die drei Stöcke bedeuten auch, dass sich der sannyāsī zuerst Śrī Guru, der Erweiterung Baladeva Prabhus, der sandhinī-śakti (Existenzenergie) ergeben sollte, zweitens Śrīmatī Rādhārāṇī, der hlādinī-śakti (Freudenenergie) und schließlich Kṛṣṇa, der saṁvit-śakti (Wissensenergie).‘
Mit dem Annehmen des tridaṇḍī-sannyāsas ergibt man sich völlig Śrī Guru und dem göttlichen Paar Śrī Śrī Rādhā-Kṛṣṇa. Die Entschlossenheit des sannyāsīs in der Gauḍīya-Tradition ist: ‚Ich verzichte auf alles, um die Stimmung des Dienstes der Vrajadevīs zu Kṛṣṇa zu erlangen.‘“
Als nächstes wies Ācārya Kesarī Śrīla Gurudeva an, über die Gründe des Erscheinens Kṛṣṇas als Mahāprabhu, über die Herrlichkeiten des vraja-bhakti-rasa, und darüber, wie man diesen rasa erreichen kann, zu sprechen. Gurudeva stand auf und sprach vor den versammelten Vaiṣṇavas. Als Śrīla Gurudeva seine Rede beendete, klatschten alle begeistert. Führende ācārya-Schüler Bhaktisiddhānta Prabhupādas waren erfreut, Gurudevas Rede zu hören und segneten ihn, die Gauḍīya-Paramparā weiterzuführen. Śrīla Gurudeva hatte wie folgt gesprochen:
In Dvāparā-Yuga wurde Śrī Kṛṣṇa in Gokula-Mahāvana als der Sohn Nanda Mahārājas und Yaśodā Mātās geboren. Für zehn Jahre lebte er in Vraja und zog dann nach Mathurā und Dvārakā. Die Vrajavāsīs gaben ihre Liebe zu Kṛṣṇa nie auf, sie konnten nicht für einen Moment aufhören, an Ihn zu denken. Kṛṣṇa dachte: „Aus der Ferne werde Ich den Ruhm der Liebe der Vrajavāsīs in Trennung von Mir erleben können.“ Er prüfte die Vrajavāsīs, indem Er sie in brahma-jñāna, unpersönlichem spirituellen Wissen, unterwies: Er sagte: „Ich bin Gott, Ich befinde Mich überall. Ich weile im Herzen eines jeden, ihr seid nicht getrennt von Mir. Wann immer ihr euch an Mich erinnert, bin Ich bei euch.“
Brahma-jñāna ist unvollständig, trocken und ohne rasa. Bhakti dagegen ist voll von rasa, Liebe und Süße. Die reine Liebe für Kṛṣṇa, die in Śrīmatī Rādhārāṇīs Herzen wohnt, bedeckt wie eine Sonne ganz Vraja mit den Strahlen transzendentaler Glückseligkeit.
ānanda-cinmaya-rasa-pratibhāvitābhis
tābhir ya eva nija-rūpatayā kalābhiḥ
goloka eva nivasaty akhilātma-bhūto
govindam ādi-puruṣam tam ahaṁ bhajāmi
Brahma-Saṁhitā 37
Der alldurchdringende Śrī Govinda, der in jedem Herzen residiert, lebt ewiglich mit Śrī Rādhā, der Verkörperung Seiner Freudenkraft und dem Gegenstück zu Seiner eigenen spirituellen Gestalt, in Seinem eigenen Reich, Goloka-Dhāma. Śrī Rādhā ist das Behältnis transzendentalen rasas und versiert in allen vierundsechzig Künsten. Begleitet wird das göttliche Paar von den sakhīs, den Erweiterungen von Śrī Rādhās eigenem spirituellen Körper, die von glückseligem spirituellen rasa erfüllt sind. Ich verehre diesen Śrī Govinda, die ursprüngliche Persönlichkeit.
Die Vrajavāsīs kosten ananda-cinmaya-rasa, die transzendentale Glückseligkeit unbegrenzter göttlicher Liebe. Folglich begehren sie nichts anderes. Sie besitzen solche Liebe für Kṛṣṇa. Wie könnten sie Ihn vergessen oder glauben, dass Er sie verlassen hat. Getrennt von Ihm fühlen sie eine starke Sehnsucht: „Wer wird Kṛṣṇa dienen? Niemand kennt Sein Herz. Wie können sie Ihn erfreuen?“
Diesen ananda-cinmaya-rasa gibt es nur in Vraja, nicht in Mathurā, Dvārakā, Ayodhyā, Vaikuṇṭha oder irgendwo sonst. Warum verließ also Kṛṣṇa Vraja und litt im Schmerz der Trennung von den Vrajavāsīs, während Er in Mathurā und Dvārakā weilte? Er wollte auch Seine dortigen Geweihten unter den Schirm des vraja-rasas bringen und sie den Ruhm der Vrajavāsīs verstehen lassen. Nur diejenigen, die demütig sind und spirituelle Begierde besitzen, können dies erfahren. Selbst der Wunsch nach diesem vraja-rasa wird nicht leicht erlangt.
Als Kṛṣṇa auf der Erde erschien, konnte Er Śrīmatī Rādhārāṇīs erhabene Liebe nicht verstehen oder kosten, weil Er nicht ausschließlich Ihr ergeben war. Er besitzt viele Geweihten an verschiedenen Orten, die sich alle nach Seiner Gemeinschaft sehnen. Deshalb verließ Er Vraja und zog nach Mathurā. Manchmal blieb Er in Dvārakā, manchmal reiste Er nach Hastināpura und manchmal hielt Er sich an anderen Orten auf. Obwohl Kṛṣṇa alle Seine Geweihten zu Śrīmatī Rādhikā und den Vrajadevīs bringen wollte, waren sie nicht qualifiziert dafür. Die Bewohner Mathurās und Dvārakās sind von Kṛṣṇa angezogen, aber sie kennen nicht Sein Herz und wollen dem Weg Seines Herzens nicht folgen. Dort, wo Interesse an Gottes Größe und Reichtum und brahma-jñāna vorherrschen, bleibt vraja-bhakti-rasa unerreicht. Für vraja-rasa ist es notwendig, alles andere aufzugeben und feste Entschlossenheit zu entwickeln.
Gegen Ende Seiner Spiele in dieser materiellen Welt, zurück in Seinem transzendentalen Reich Vraja, war Kṛṣṇa niedergeschlagen. Bekümmert suchte Er einen abgeschiedenen Ort auf. Von morgens bis abends suchten die Vrajadevīs und Vrajavāsīs nach Ihm: „Ist Akrūra gekommen und hat Kṛṣṇa mit nach Mathurā genommen?“ Es ist für Kṛṣṇa nicht möglich, Seinen geliebten Gefährten in der spirituellen Welt fern zu sein. Scheinbar erfahren die Bewohner Vrajas, dass sie von Kṛṣṇa getrennt sind, aber eine echte Trennung gibt es dort nicht. Nachdem sie überall nach Ihm gesucht hatten, fand Viśākhā Devī Kṛṣṇa allein in einem Garten. Er weinte leise, den Kopf zwischen den Händen vergraben. „Śyāma, was bekümmert Dich?“ fragte Viśākhā.
Kṛṣṇa antwortete nicht. Nur Tränen rannen zwischen Seinen Fingern zu Boden. Lalitā, die sakhīs und mañjarīs kamen hinzu und fragten Kṛṣṇa: „Was ist geschehen?“
Doch Kṛṣṇa sagte nichts.
Die besorgten sakhīs holten Śrīmatī Rādhikā: „Kṛṣṇa ist sehr unglücklich. Wir wissen nicht, weshalb. Bitte komm und vertreibe Seinen Kummer.“ Śrīmatī Rādhikā kam, aber trotzdem wollte Kṛṣṇa nicht sprechen.
Schließlich, nach vielem Bitten Viśākhās, sagte Kṛṣṇa: „Um alle Lebewesen nach Hause, nach Vraja zu holen, erschien Ich auf der Erde und zeigte Meine anziehenden, liebenden Spiele mit Meiner śakti. Dennoch beleidigen uns diese törichten Dummköpfe. Sie sagen: ‚Die gopīs verließen Ihre Ehemänner in der Mitte der Nacht, um sich mit Kṛṣṇa zu vergnügen. Sie verstoßen gegen die Regeln der Schriften. Kṛṣṇa ist nicht Gott, er ist ein betrügerischer Yogī, der die Normen und Gesetze der Gesellschaft ruiniert. Er ist ein Frevler, und wer immer ihm folgt, wird ebenfalls zum Frevler.‘ Aus diesem Grund bin ich unglücklich. Manche verkünden, dass sie selber Gott seien, und verführen die Frauen anderer Männer, mit ihnen zu genießen. Andere, die solche Entgleisungen sehen, werden zu Atheisten und ruinieren ihr eigenes Leben und auch das von anderen. Was soll Ich tun? Wie werden die Menschen den rāsa-līlā und den cīra-haraṇa-līlā (das Stehlen der Kleider der gopīs) als die erhabensten aller Spiele verstehen, unerlässlich für ihre Läuterung und spirituelle Erhebung?“
„Geh noch einmal in die materielle Welt“, riet Viśākhā Kṛṣṇa. „Ich werde Dein Guru werden und Dich lehren, dass die Vrajadevīs die größten, fehlerlosen Geweihten sind und dass man nur durch ihren Vorgang spiritueller Praxis Vollkommenheit erreichen kann. Ich werde Dir helfen, dies zu verstehen, und dann kannst Du es der Welt lehren.“
„Ja, ich werde noch einmal gehen“, stimmte Kṛṣṇa zu, „aber diesmal ohne eure Begleitung. Beide Male, als Rāma und Kṛṣṇa, kam Ich mit Meinen śaktis, und beide Male gab es Ärger. Diesmal werde ich ein sannyāsī werden und allem entsagen. Ich werde keine weltlich erscheinenden Taten vollführen, sondern jedem durch Mein eigenes Vorbild die Reinheit des vraja-rasa aufzeigen.“
„Ich werde mein Aussehen ändern und ein gelehrter Gouverneur werden,“ sagte Viśākhā.
Die anderen sakhīs und mañjarīs erklärten: „Wir kommen ebenfalls“.
„Ich werde allein gehen“, sagte Kṛṣṇa.
Die sakhīs bestanden aber darauf, mitzukommen und versicherten Kṛṣṇa: „Wir werden in männlicher Gestalt erscheinen.“
„Wir alle werden dich begleiten“, entschied Viśākhā, „und durch die freudvolle Kraft des saṅkīrtana die Herzen der Menschen erobern und sie zum Pfad der reiner bhakti führen. Alle Lebewesen sind hungrig nach Zuneigung und werden sich hinwenden, wo immer sie diese finden. Wir werden uns um mit so viel Zuneigung der Seelen annehmen, dass sich ihre Herzen wandeln.“
Als Er diese Worte Viśākhās hörte, beruhigte Sich Kṛṣṇa ein wenig. Viśākhā riet ihm dann: „Bitte Śrīmatī Rādhikā um Ihre Gefühle und Ihre goldene Körpertönung und gehe dann und befreie die Welt mit Ihrer Liebe.“
Kṛṣṇa betete zu Śrīmatī Rādhārāṇī: „Bitte segne Mich mit den Gefühlen Deines Herzens und Deiner strahlenden Körpertönung. Durch Deine Gnade werde Ich hingegeben sein, alles zurücklassen können und in Deinen Fußspuren folgen.“ Lächelnd antwortete Śrīmatī Rādhārāṇī: „So sei es.“
Śrīmatī gab dann die Kraft Ihrer Liebe Kṛṣṇa, damit Er die bedingten Seelen befreien konnte. Diejenigen Menschen, die auch nur einen Tropfen dieser Liebe trinken, werden rein und entwickeln die Willensstärke, bhakti zu folgen. Aus der starken Begierde heraus, Śrīmatī Rādhārāṇīs Liebe zu verstehen und die Seelen unter Ihre Obhut zu bringen, erschien Kṛṣṇa als goldener Avatāra, als Gaurāṅga Mahāprabhu.
prema-rasa-niryasa karite asvadana
raga-marga bhakti loke karite pracarana
Caitanya-Caritāmṛta, Ādi-Līlā 4.15
Mahāprabhu stieg herab, um die süße Essenz der Liebe zu Kṛṣṇa zu kosten und spontane Hingabe zu lehren.
Die acht Haupt-sakhīs kamen zusammen mit Śrīmatī Rādhārāṇī und ließen sich auf den acht Inseln Navadvīpas nieder, die wie Blütenblätter das Lotusherz Antardvīpa umschließen. Śrīmatījī eröffnete in Antardvīpa Māyāpura einen versteckten kuñja namens Rādhāvana, welcher ihr Herz abbildet. Die Wahrheit über Antardvīpa Māyāpura und sein Ruhm ist für den bedingten Geist unmöglich zu verstehen. Unerkannt erschien Kṛṣṇa mit Gaurīs Körpertönung und Gemütsstimmung auf dieser heiligen Insel als Gaurahari. Sein Name Gaurahari ist von Bedeutung: Gaura bezieht sich auf Gaurī (Rādhārāṇī), die eine goldene Ausstrahlung besitzt, und Hari auf Kṛṣṇa, der Ihre Farbe und Stimmung an sich genommen hat.
Für vierundzwanzig Jahre blieb Gaurāṅga Mahāprabhu in Māyāpura. Er begann die saṅkīrtana-Bewegung, in der Millionen Menschen in spiritueller Ekstase tanzten. Mahāprabhu hob Seine Arme, tanzte und sang über die Herrlichkeiten der Vrajadevīs. Warum tanzte Er mit erhobenen Armen? Er dachte: „Jetzt habe ich die törichten Lebewesen besiegt! Sie sind verrückt nach Sinnesgenuss, aber sie wissen nicht, was wahre Freude bedeutet. Sie kennen keinen rasa. Jetzt schenke Ich den Lebewesen saṅkīrtana-rasa und sie werden all ihre materiellen Beziehungen und Genüsse vergessen.
Gaurāṅga Mahāprabhu begann seine harināma-saṅkīrtana-Bewegung mit Seinen führenden Gefährten, dem Pañca-Tattva: Nityānanda Prabhu, Advaita Ācārya, Gadādhara Paṇḍita und Śrīvāsa Ṭhākura. Im Kali-Yuga hilft nur nāma-saṅkīrtana; es reinigt den Spiegel des Herzens und offenbart das wahre Selbst. Śrīman Mahāprabhu kostete deshalb vraja-rasa durch das Medium des harināma-saṅkīrtanas und gab damit das Beispiel, dass es im Kali-Yuga keinen anderen Vorgang der Läuterung als das Chanten der Heiligen Namen gibt.
harer nāma harer nāma
harer nāmaiva kevalam
kalau nāsty eva nāsty eva
nāsty eva gatir anyathā
Bṛhan-Nāradīya-Purāṇa 38.126
Chantet die Heiligen Namen, chantet die Heiligen Namen, chantet die Heiligen Namen in diesem Kali-Yuga, dem Zeitalter von Streit und Heuchelei! Es gibt keinen anderen Weg, keinen anderen Weg, keinen anderen Weg!
Śrīmatī Rādhikā wird auch als Hare angesprochen, weil Sie den Geist des allanziehenden Hari oder Kṛṣṇa in Ihren Bann zieht. Das Wort harer im obigen Vers ist die Pluralform von hare, was bedeutet, dass man sich damit an alle Vrajadevīs, die Erweiterungen Śrīmatī Rādhārāṇīs, wendet. Mahāprabhu lehrte, dass man, um vraja-bhakti-rasa zu kosten, die ausschließliche Führung der Vrajadevīs annehmen und ihre heiligen Namen chanten muss.
Mahāprabhu sang und tanzte für ein ganzes Jahr im Hause Śrīvāsa Paṇḍitas, bevor Er den saṅkīrtana an die Öffentlichkeit brachte. Unter materialistischen Menschen kann der Geist rastlos und von schlechten Gedanken beeinflusst werden. Deswegen lehrte Mahāprabhu die Notwendigkeit der Gemeinschaft mit sādhus, welche von gleicher innerer Auffassung sind wie wir selbst, mehr fortgeschritten im spirituellen Leben und uns zugeneigt. Sobald Gottgeweihte von gleicher Auffassung zusammenkommen, steigen der Enthusiasmus und der Geschmack am Chanten. Der Gottgeweihte in sādhu-saṅga wird erst für eine halbe Stunde chanten, dann für eine Stunde, dann für zwei, drei, vier, fünf – bis er dermaßen in den transzendentalen Nektar vertieft ist, dass er Tag und Nacht chantet und alle körperliche Bedürfnisse vergisst.
Im Alter von vierundzwanzig Jahren nahm Gaurahari sannyāsa an und wurde Śrī Kṛṣṇa Caitanya. Caitanya bedeutet „Bewusstsein“, und Kṛṣṇa Caitanya bedeutet: „Kṛṣṇa, der Sich des vraja-bhakti-rasas Śrīmatī Rādhārāṇīs bewusstwurde und diesen rasa frei auf der Welt verteilte.“ Kṛṣṇa selbst, Parabrahma, die Höchste Absolute Wahrheit, entsagte allem und kam als Śrī Caitanya Mahāprabhu nach Jagannātha Purī.
Dort betete Er:
prema dhana vinā vyartha daridra jīvana
‘dāsa’ kari’ vetana more deha prema-dhana
Ich bin ohne Liebe. Ich bin Parabrahma. Bitte, mache Mich zu Deinem Diener und belohne Mich mit Deiner Liebe.
Um diese Liebe zu erhalten, gab Mahāprabhu Sein früheres Leben in Navadvīpa auf, ergab sich völlig Śrīmatī und trat der Schule der Vrajadevīs bei. Für sechs Jahre reiste Er durch Indien und verbreitete den Nektar der Liebe der Vrajadevīs. Er suchte überall: „Wo kann Ich Vrajavāsīs treffen? Ich habe Yaśodā Māiyā verlassen, ich habe Śrīmatī Rādhikā, Lalitā, Viśākhā und all die Vrajavāsīs zurückgelassen.“ Wo immer Er hinkam, tauchte Er jeden in ein Meer der Liebe, indem Er Hare Kṛṣṇa Hare Kṛṣṇa Kṛṣṇa Kṛṣṇa Hare Hare, Hare Rāma Hare Rāma Rāma Rāma Hare Hare chantete.
Schließlich ließ sich Mahāprabhu in Jagannātha Purī nieder. Dort nahm er Lehrstunden in der Liebe der gopīs von Svarūpa Dāmodara und Rāmānanda Rāya (Lalitā und Viśākhā in Kṛṣṇas Spielen). Für achtzehn Jahre lebte Er in einem winzigen Raum in Purī, Gambhīrā, und sprach über die Liebe Rādhārāṇīs für Kṛṣṇa. Als Er diese Liebe kostete, dachte Er: „Dies ist der süßeste Nektar!“
Śrīla Gurudeva beendete seinen Vortrag: „Mahāprabhu ermächtigte Seine unverfälschten Nachfolger, diese Lehre der bedingungslosen Liebe den Menschen dieser Welt nahezubringen. Jemand, der auch nur einen Tropfen dieser Liebe kostet, wird noch am gleichen Tag zum echten sannyāsī werden. Die bedingten Seelen jagen unablässig Reichtum, Ruhm und Karriere nach. Solange sie nicht vraja-rasa kosten, erscheint ihnen alles in dieser Welt begehrenswert, doch sobald sie einen Tropfen dieser höchsten Liebe empfangen, verliert alles andere seinen Wert für sie. Sannyāsa bedeutet nicht, einfach die Kleidung eines Entsagten zu tragen. Ein sannyāsī ist derjenige, der alles aufgegeben und vollständig bei den Vrajadevīs Zuflucht gesucht hat. Jemand, der anurāga, liebevolle Anziehung zu Kṛṣṇa, besitzt, wird aus der Begierde heraus, Ihm zu dienen, ganz natürlich entsagen. Seine Mutter mag um ihn weinen, seine Frau mag ohnmächtig werden und fast sterben oder die Familie mag versuchen, ihn zurückzuhalten, aber er wird nie zurückschauen.“