2.12 Ankunft der Gosvāmīs
Eines Tages kam ein älterer Schüler Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākuras aus Bihar in die Keśavajī Gauḍīya Maṭha. Śrīla Gurudeva servierte ihm respektvoll prasāda und bot ihm einen Schlafplatz an.
„Sind Sie Śrīpāda Nārāyaṇa Mahārāja?“, fragte er Śrīla Gurudeva.
„Ja, der bin ich“, antwortete Gurudeva.
„Ich habe etwas, das ich Ihnen geben möchte“, teilte ihm der Vaiṣṇava mit. „Zu Zeiten Śrīla Prabhupādas habe ich alle heiligen Texte der Gosvāmīs gesammelt, wie auch die Schriften Prabhupādas, Śrīla Bhaktivinoda Ṭhākuras und der Gauḍīya ācāryas. Vor kurzem hatte ich eine Vision von Śrīla Prabhupāda. Er wies mich an: ‚Deine Zeit rückt näher. Reise nach Mathurā und gib deine Büchersammlung Nārāyaṇa Mahārāja in der Keśavajī Gauḍīya Maṭha. Er ist ein Vaiṣṇava auf der höchsten Stufe und er wird die Literatur der Gosvāmīs übersetzen und Kommentare schreiben. Diese Bücher werden auf der ganzen Welt gelesen werden. Er ist der einzige, der für diese wichtige Aufgabe qualifiziert ist.‘“
Śrīla Gurudeva war elektrisiert von dieser Neuigkeit. „Ich bin gekommen, um Sie zu treffen“, sprach der Vaiṣṇava weiter. Jetzt kann ich guten Gewissens meine Bibliothek aus Bihar hierherbringen.“
Der Vaiṣṇava übernachtete in Mathurā und fuhr dann zurück zu seinem Haus. Einige Tage später kam er mit einer Wagenladung Bücher zurück. Er sagte zu Gurudeva: „Ich habe Ihnen die gesamten Werke unserer Gauḍīya Sampradāya gebracht. Hier sind die Bücher Prabhupāda Sarasvatī Ṭhākuras, Śrīla Bhaktivinoda Ṭhākuras, Narottama Dāsa Ṭhākuras, Viśvanātha Cakravartī Ṭhākuras, Śrīla Rūpa Gosvāmīs, Śrīla Sanātana Gosvāmīs und anderer ācāryas unserer Nachfolge. Meine Schüler sind nicht qualifiziert und werden sie vernachlässigen und in unerlaubter Weise gebrauchen. Śrīla Prabhupāda trug mir auf, sie zu Ihnen zu bringen, denn Sie würden ihren Inhalt verwirklichen und sie als großen Dienst an der Welt übersetzen.“
Śrīla Gurudeva war hocherfreut, die Bücher zu sehen. Zuvor hatte er höchstens zwei bis drei Bücher pro Monat aus Navadvīpa-Dhāma ausleihen können. Er hatte sich danach gesehnt: „Wann werde ich alle Bücher hier bei mir haben? Wann werde ich mit der Gemeinschaft der Gosvāmīs gesegnet werden?“ Als nun die Bücher kamen, war Gurudeva überglücklich und schrieb sofort an Ācārya Kesarī und informierte ihn über die Neuigkeiten.
Der Schüler Bhaktisiddhānta Sarasvatī Prabhupādas blieb für einige Tage, bevor er nach Bihar in seinen āśrama zurückkehrte.
Als Ācārya Kesarī das nächste Mal nach Mathurā kam, sagte er zu Śrīla Gurudeva: „Die guru-varga, Śrīla Prabhupāda und die Gosvāmīs sind mit dir zufrieden. Die Schülernachfolge ist in Form ihrer Bücher gegenwärtig. Indem sie in Form ihrer transzendentalen Literatur zu dir gekommen sind, haben sie dich gesegnet.“
Ācārya Kesarī zimmerte hölzerne Schränke und stellte die Bücher dort hinein. Er versprach: „Jedes Jahr werde ich für einen Monat nach Mathurā kommen und alle Bücher sorgfältig lesen, um sicherzugehen, dass keine Fehler darin sind, bevor du sie übersetzt.“ Als er zum Predigen aus Mathurā abreiste, bat er Śrīla Gurudeva: „Könntest du mir ein paar Bücher ausleihen?
„Guru Mahārāja, ich gehöre dir und alles hier gehört dir.“ Ācārya Kesarī lächelte und nahm liebend gern einige Bücher zum Lesen mit sich.
Vor seiner Abfahrt instruierte er Gurudeva: „Suche bei diesen Büchern Zuflucht. Jedes Wort ist transzendental und bewusst. Lies sie und bete zu ihnen. Die Gosvāmīs werden dich mit Verwirklichung segnen, wenn sie deine aufrichtigen Gebete hören. Übersetze die Bücher dann ins Hindi. Mit der Zeit werden sie in die wichtigsten Sprachen der Welt übersetzt und weltweit verbreitet werden. Das ist der Wunsch der guru-varga.“
Auf Anweisung seines spirituellen Meisters begann Śrīla Gurudeva die Bücher der Gosvāmīs zu übersetzen. Wer den Wunsch hat, die Schriften der Gosvāmī zu verstehen, kann dies nur durch Hilfe von jemandem, der Liebe für Gott besitzt. Das Bhakti-Mīmāṁsā Śāṇḍilya Ṛṣis erklärt: sā parānuraktir īśvare ‒ „Reine Anhaftung and den Höchsten Herrn wird bhakti genannt.“ Das Verständnis derer, die keine Liebe zu Bhagavān besitzen, ist bedeckt und bleibt in den Grenzen weltlichen Wissens.
yāha bhāgavata paḍa vaiṣṇavera sthāne
ekānta āśraya kara caitanya-caraṇe
Śrī Caitanya-Caritāmṛta, Antya-Līlā 5.131
Wer das Śrīmad Bhagavatam verstehen möchte, muss von einem selbstverwirklichten Vaiṣṇava hören und vollständig bei Caitanya Mahāprabhus Lotosfüßen Zuflucht suchen.
Aufgrund Śrīla Gurudevas reiner Hingabe für beide, seinen spirituellen Meister und Bhagavān, offenbarten sich alle Bedeutungen der offenbarten Schriften und der Gauḍīya-Philosophie in seinem Herzen. Er war das Beispiel für den Vers aus der Śvetāśvatara Upaniṣad (6.23):
yasya deve parā bhaktir yathā deve tathā gurau
tasyaite kathitā hy arthāḥ prakāśante mahātmanaḥ
Die schlüssige Essenz aller Schriften wird nur jenen großen Seelen offenbar, die die gleiche transzendentale Hingabe zu Śrī Guru wie zu Bhagavān besitzen.…
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