Während seines Predigens in Mathurā traf Śrīla Gurudeva manchmal auch auf Leute anderen Glaubens, wie christliche Mönche, Mullahs oder Sikhs. Er sprach freundlich mit jedem von ihnen über Philosophie. Er zitierte ihre eigenen Schriften als Beweis, dass Bhagavān eine ewige, spirituelle Form besitzt, und er zitierte auch Stellen aus den Veden, die die übergeordnete Stellung des persönliche Aspekts Bhagavāns belegten. Wenn er befragt wurde, wie seine sampradāya über anderen Religionen denke, antwortete Śrīla Gurudeva, dass Bhagavān nur einer ist, aber dem Glauben und der Stimmung Seiner Geweihten entsprechend in verschiedenen Formen erscheint. Er erklärte die Beziehung zwischen den Religionen wie folgt:
„Je nach der Gegend und den Umständen, in denen es geboren wird, wächst ein Kind in einem bestimmten Glauben auf und lernt, wie man zu Gott betet. Obwohl sich die Sprache und die Praxis des Betens unterscheiden, ist das Beten für alle gleich, egal ob im christlichen, muslimischen, jüdischen, hinduistischen, buddhistischen oder einem anderen Glauben. Die Auffassungen und Erfahrungen der Menschen mögen sich je nach Zeit, Ort und Umständen unterscheiden, aber Gott ist Einer. Gebete unterscheiden sich in der Sprache und in der Stimmung, deswegen denken die Leute, dass ihr Götter verschieden seien. Doch ganz gleich wer man ist, welcher Mission, Religion oder spirituellen Schule man angehört: sobald man aufrichtig zu Gott betet, wird Bhagavān es hören und dafür sorgen, dass man auf dem Pfad der Selbstverwirklichung fortschreiten kann. Wenn man den Wunsch hat, Gott zu verstehen und mit Ihm eine Beziehung einzugehen, wird Er einen zu einem heiligen Gottgeweihten oder Seinem geliebten Familienangehörigen schicken. Die Herzen der reinen Geweihten Bhagavāns sind von göttlicher Liebe erfüllt und indem man ihnen dient und unter ihrer Obhut bleibt, wird sich deren Liebe im eigenen Herzen spiegeln und man kann Gott begegnen.“
Śrīla Gurudeva zitierte aus der Bibel und dem Koran, um zu beweisen, dass Gott eine göttliche Gestalt besitzt. In Genesis 2:26 heißt es: ‚elohim bara et ha’adam betsalmo ‒ Der Herr schuf den Menschen nach Seinem Ebenbild.‘ Und im Koran ‚inallah kalaka mein suratihi ‒ Allah hat Gestalt und nach dieser Gestalt formte hat Er den Menschen‘. Beide, die Bibel und der Koran, sprechen von der menschengleichen Gestalt des Höchsten Herrn. Trotz dieser Aussagen in ihren Schriften glauben viele Anhänger, Gott wäre formlos. Allerdings widersprechen sie sich selbst, indem sie eine Form wie Christi oder Mohammeds verehren, wie auch den Schrein in Mekka, das Kreuz, die Bildgestalten der Heiligen oder andere Symbole in ihren Tempeln, Kirchen und Moscheen. Wenn Gott keine Form hätte, wie könnte Er ihre Gebete hören und beantworten?
Śrīla Gurudeva gab auch Belege aus den Vedischen Schriften über Gottes transzendentale Form, Eigenschaften, Namen und Spiele. Śrī Kṛṣṇa sagt in der Bhagavad-Gītā (10.8): „Ich bin der Ursprung der materiellen und der spirituellen Welten. Alles kommt von Mir. Die Weisen, die dies wissen, verehren mit Liebe Meine transzendentale Form im Herzen.
Der ewige Name Kṛṣṇa bezieht sich auf die allanziehende Höchste Wahrheit, die alle Lieblichkeit, Schönheit und Liebe umfasst. Gemäß Seiner Eigenschaften hat Gott viele Namen, wie Allah, Jehova, Yahweh, Paramātmā oder Bhagavān. Alle Namen Gottes sind in Kṛṣṇa miteingeschlossen. Allah bedeutet: „der Größte, in dem die gesamte Schöpfung ruht“. Bhagavān, der Sanskritausdruck für Gott, bedeutet nach dem Viṣṇu Purāṇa (6.5.47): „die Höchste Person, die sechs Füllen in vollkommener Weise verkörpert, nämlich Schönheit, Macht, Ruhm, Reichtum, Wissen und Entsagung“. Niemand kann ohne Liebe Zufriedenheit finden, selbst wenn er alle Reichtümer der Welt besitzt. Alle Wesen suchen nach Liebe und Zuneigung, ob als Geliebter und Geliebte, Eltern und Kind, durch Freundschaft oder durch Gemeinschaft. Kṛṣṇa ist die Quelle allen liebevollen Austausches und wahre Zufriedenheit kann man nur durch eine Beziehung mit Ihm erlangen.
Śrīla Gurudevas erhebende Ausführungen faszinierte die Zuhörer und ließ sie die Glaubensunterschiede vergessen. Gurudeva sprach auch mit Leuten aus der Ārya Samāja und anderen religiösen Gruppen, die nicht an eine Form oder ein Bildnis Bhagavāns glauben. Sie argumentierten: „Wir verehren keine toten Statuen, wir praktizieren jīva-seva. Wir handeln zum Wohl des Menschen, indem wir den Lebenden dienen. Die Menschen sind das wahre Bild Gottes. Bildgestalten aus lebloser Materie zu verehren, ist Dummheit.“
„Sie kennen den Unterschied zwischen Leben und Tod nicht.“ antwortete Gurudeva. „Der Körper ist nur ein materielles Gebilde ohne Leben. Es ist die Seele, die lebt. Menschen dienen dem Körper, indem sie ihn ernähren und erhalten, aber sie kümmern sich nicht um die Seele. Für den Erhalt des Körpers zu sorgen, hat keinen direkten Bezug zu der Seele. Es ist falsch, anzunehmen, der Gesellschaft, der Seele und Bhagavān zu dienen, wäre das Gleiche. Was ist Natur Gottes und der Seele? Der Körper funktioniert nur, wenn sich die Seele darin aufhält. Solange Sie die Seele nicht kennen, wie können Sie dann von jīva-sevā, Dienst am Leben oder Dienst an der Seele, sprechen? Alles, was man für den Körper tut, ist die Verehrung einer toten materiellen Form. Die Seele befindet sich im Körper in einer Art Traumzustand. Bhakti-yoga ist der Vorgang, um die Seele zu erwecken. Dem Bildnis des Herrn zu dienen, ist ein Hauptaspekt von bhakti. Befreite Seelen, in deren Herzen Bhagavān erschienen ist, manifestieren das Bildnis Gottes zum Wohl aller in dieser Welt. Dies gibt den aufrichtigen Anwärtern eine Gelegenheit, sich von der niederen zu einer höheren Stufe der Hingabe zu erheben.“